20. Juni 2010

Impressionen

Eine Woche Partukorpe

An allen Enden zupft und zerrt es an mir, ich bin umringt von fünfzehn kleinen Kindern, die sich alle um mich drängen. Es wird geschubst und gestritten, weil jeder so nah wie möglich bei mir sein will. Ich versuche zu schlichten in Englisch, Ga und Twi, sie verstehen mich nicht, also gehe ich zu Zeichensprache über. Dreißig kleine Kinderhände tapsen über das Papier, fasziniert von den kleinen Buchstaben. Immer wieder muss ich eine Träne wegwischen, doch nur eine Minute später ist schon wieder ein strahlendes Lächeln zu sehen!

Meine erste Woche in Partukorpe! Endlich hat es geklappt: Ich habe eine woche hier gelebt und viel mehr von dem Alltag mitbekommen, über den ich so viel erzählt habe ohne wirklich etwas darüber zu wissen.
Am Sonntag bin ich mit dem Trotro nach Ada gefahren. Dort sollte ich von John abgeholt werden, wie sich jedoch herausstellte bin ich ein bisschen zu weit gefahren. Die Leute dort waren aber super lieb und hilfsbereit, einer kannte John sogar persönlich und so war alles schnell geklärt. Es ging also zu dritt auf das Montorrad-Taxi gequetscht weiter nach Partukorpe. Während wir über die holprige Schotterpiste fuhren, drehten sich alle Gesichter nach uns um. Es war herrliches Wetter und die frische Meerluft wehte uns um die Nase; endlich raus aus der hektischen, stickigen Großstadt. Danach sind wir erstmal durchs Dorf gegangen um alle zu bergrüßen und überall wurde ich herzlich wilkommen geheißen.
Die Hütte bestand aus einem Wohn- und einem Schlafzimmer und einer angebauten, mit Palmwedeln abgeschirmten Freilichtdusche. Das Essen war verdammt lecker, wenn auch nicht sehr abwechslungsreich; jeden Morgen gab es Reis, mittags Kekej und am Abend Banku. Entweder haben wir an einem der kleinen Stände gegessen oder im Schatten einer Palme vor der Hütte.
Ich habe mich gleich so richtig zu Hause gefühlt, es kam mir so vor als hätte ich schon ewig in Partukorpe gelebt und die Woche ging viel zu schnell herum. Eigentlich habe ich gedacht ich könnte bei dem Bau des Gebäudes für die Klinik und die Schule helfen, der Tischler hatte aber Malaria und so konnten die Arbeiten leider die ganze Woche nicht fortgesetzt werden. Die Mauern stehen komplett, jetzt fehlt nur noch das Dach und dann kann auch schon verputzt werden. Das Gebäude wird also hoffentlich bald eingeweiht, damit schnell die ersten Lehrer und Krankenschwestern ihre Arbeit aufnehmen können.
Die Woche verlief also ganz anders wie geplant und trotzdem ist mir nie langweilig geworden. Wenn ich nicht gerade am Strand war oder mit den Kindern herumgetollt bin, habe ich beim Zwiebeln pflanzen geholfen oder saß mit den Männern unter einer Palme und habe Dame gespielt.
Am ersten Tag hielten die Kinder alle noch einen Sicherheitsabstand und haben mich aus sicherer Entfernung betrachtet. Ich bin also erstmal zum Strand gegangen und sobald ich im Sand saß tauchten schon die ersten Kinder auf. Schon bald war das Eis gebrochen und sie hangelten und kletterten auf mir herum und erkundeten meine Haut und ganz besonders meine Haare. Den ganzen Tag war ich von Kindern umgeben; erst drei, dann zehn und später über zwanzig. Wir haben Fangen und Verstecke gespielt, Grimassen gezogen, komische Laute von uns gegeben und vorallem sehr viel gelacht. Ich habe ihnen Faul-Ei beigebracht, wovon sie gar nicht genug kriegen konnten, genauso wie von den Luftballons. Ich hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr und mir ist klar geworden, dass Sprache nicht die einzige Möglichkeit ist sich zu verständigen! Ich habe den Kindern ein paar englische Wörter beigebracht und das ABC und Zahlen in den Sand geritz und alle waren fleißig dabei. Die meiste Zeit waren wir jedoch am Strand. Wir sind im Sand herum getollt, haben spritzend Wettrennen durch die Wellen gemacht und sind die Böschung herunter gesprungen, gekugelt und gerollt. Wir haben Purzelbäume und Kopfstände gamacht und immer und immer wider musste ich die Kinder auf den Schultern durch die Gegend tragen. Gerade als wir gehen wollten bemerkten wir den Regenbogen, der sich über die Palmen spannte und im Meer zu versinken schien. Glücklich und von oben bis unten voll mit Sand haben wir uns auf den Rückweg zum Dorf gemacht, fünf Kinder an jeder Hand. Abends saßen wir öfters vor der Hütte im Stand und die Kinder haben Musik gemacht und getanzt. Als Instrumente dienten eine Weinflasche, ein Kanister und eine rostige Blechdose- das Ergebnis konnte sich sehen oder besser gesagt hören lassen!
Nachmittags saß ich meistens mit den Männern auf den Holzbänken im schatten einer Palme und habe ihnen beim Dame spielen zugeschaut. Irgendwan wurde ich aufegfordert zum spielen und von da an habe ich midestens dreißig Mal hintereinander gespielt. Sofort waren wir von umringt und von allen Seiten wurden mir Tipps gegeben, es war also kein Wunder dass ich die Hälfte der Spiele gewonnen habe. Das Spiel an sich war gar nicht so kompliziert wie ich erst dachte, aber die Spieler waren unschlagbare Profis.
Einen Tag waren wir von bis abends auf dem Feld und haben Zwiebelsamen ausgesäht. Nachdem ich sie davon überzeugt habe, dass "wir Weißen" auch anpacken können und kein Problem damit haben uns dreckig zu machen konnten wir loslegen. Erst wird der Boden aufgelockert und in Bahnen eingeteilt. Der Sand wird glatt gemacht und einmal gegossen, bevor die Samen ausgesträut werden. Danach wird eine weitere Schicht Sand darüber gehäuft und festgedrückt. Nachdem alles noch einmal schön gegossen wurde, werden die Beete mit Palmwedeln abgedeckt. Von nun an muss jeden Tag drei Mal gegossen werden und sobald die ersten grünen Triebe kommen, können die Palmwedel entfernt werden. Nach vier Monaten können die Zwiebeln dann geerntet und verkauft werden.
Die restliche Zeit habe ich stundelange Spaziergänge am Strand gemacht oder bin auf dem Stumpf einer Palme gesessen und habe die Füße baumeln lassen. Ich mag das Leben hier sehr aber auf Dauer würde es mir zu langweilig und eintönig werden.
Am Freitag wurde die Weltmeisterschaft in Südafrika eröffnet und von da an lief der Generator auf Hochturen und das "Kino" war rappel voll. Das Kino bastand aus einem Raum aus geflochtenen Palmwedeln mit zehn Sitzreihen aus Holzbänken und einem kleinen Fernseher. Die jeweiligen Spiele für den Tag wurden auf einer Tafel angekündigt mit Uhrzeit und Eintrittspreis, 10 cent pro Spiel kostete der Spaß! Es war immer eine super Stimmung und ich wäre so gern dabei gewesen als Ghana gespielt hat. Auffällig war nur dass bei keinem Spiel auch nur eine einzige Frau dabei war.

Als Klo dient hier der Busch oder der Strand. Wenn man "Groß" muss gräbt man sich ein Loch, setzt sein Häufchen hinein und schaufelt es wieder zu. Es wird immer gesagt die Menschen in den Dörfern würden so unhygienisch leben, im Verhältnis zu Accra oder Teshie stimmt das meiner Meinung nach gar nicht. Die offenen Abwasserkanäle und die nach Urin stinkenden Rinnsale über die Straßen sind sicher viel unhygienischer. Überhaupt ist hier in Partukorpe alles viel sauberer und die Luft ist angenehm rein. Während sich in den Städten der Müll stapelt, wird hier jeden Morgen alles zusammen gefegt und in extra dafür gegrabenen Löchern entsorgt.
Wenn ich mir eine Kindheit in Accra oder Parukorpe aussuchen könnte, würde ich Partukorpe wählen. Wenn nur die Schulen besser oder überhaupt verhanden wären, die medizinische Versorgung besser wäre und die Zukunftschancen gleich wären. Ich weiß das sind viele "wenns" aber in Accra bilden die Mauern ein Hindernis und überall ist Dreck und so viel Verkehr. Hier haben die Kinder immer jemand zum spielen, können den ganzen Tag im Freien sein und am Strand herum tollen. Das ganze Dorf scheint wie eine große Familie, es gibt viel mehr Gemeinschaft und Zusammensein!
Die Woche ging viel zu schnell rum und schon musste ich wieder zurück nach Accra, weil ich ja eh schon eine Woche Schule geschwänzt habe. Ich wollte so gerne einen Tag mit den Fischern aufs Meer fahren aber leider ist daraus nichts geworden weil sie wegen dem Regen die ganze Woche nicht fischen gehen konnten. Aber das holen wir auf jeden Fall nach wenn meine Schwester hier ist, ich werde also noch mindestens einmal nach Partukorpe fahren.

Jetzt sind wir vier Obrunis im Haus, da noch drei Praktikantinnen aus Deutschland gekommen sind, die alle richtig nett sind. Gestern waren wir den ganzen Tag in Accra und am Mittwoch werden wir wieder nach Accra fahren, wenn Ghana gegen Deutschland spiel. Wir haben uns schon Ghana Trikos gekauft. Am nächsten Wochen machen wir einen Trommel Workshop und das Wochenende drauf fahren wir alle zusammen nach Kumasi.

Die letzten drei Wochen Schule werden also wie im Flug vergehen. Dann kommt auch schon mein Schwesterherz zu Besuch und dann wird nochmal die letzten sechs Wochen gereist. Ich freu mich sooo! :-)
Gerade kann ich mir gar nicht vorstellen, dass ich schon so bald wieder in Deutschland bin, die letzten Monate sind so verdammt schnell vergangen. Ich freu mich richtig euch alle wiederzusehen, aber ich werde meine Klasse, meine Freunde und überhaupt fast alles hier schrecklich vermissen. Aber noch ist ein bisschen Zeit und die werde ich nochmal richtig geniesen!

Ganz liebe Grüße!

Schule und Regenzeit

Nachdem sich meine letzten Berichte hauptsächlich um meine Reisen gedreht haben, dachte ich es wird mal wieder Zeit ein bisschen über die Schule zu berichten. Obwohl es im eigentlichen Sinne nicht so viel über den Unterricht zu erzählen gibt, weil den ersten Monat 80 Prozent von den Stunden ausgefallen sind, ist doch sehr viel Aufregendes passiert.

Wenn ihr euch fragt wie es sein kann, dass über so einen langen Zeitraum so verdammt viel Unterricht ausfällt, kann ich gleich mehrere Gründe nennen: Schulgebühren, ein kaputtes Dach und die Regenzeit.
Die erste Woche waren wir meist nur zwischen fünf und fünfzehn Schüler in der Klasse, von insgesamt 60, weil die Schulgebühren kontrolliert wurden. Alle mussten also am Tor ihre Quittung zeigen und jeder der sie entweder vergessen oder noch nicht gezahlt hatte wurde nach Hause geschickt, Tag für Tag. Nach ungefähr zwei Wochen hatten dann so gut wie alle ihre Schulgebühr gezahlt, dem Unterricht stand also eigentlich nichts mehr im Weg, wäre da nicht unser Dach gewesen. Zusätzlich hatte auch noch die Regenzeit begonnen.
Zu der Zeit war noch ungefähr die Hälfte unseres Daches vorhanden, doch mit jedem Regen wurde es weniger, bis wir am Schluss ganz unter freiem Himmel saßen. Die letzten Wochen hat es fast jeden zweiten Tag geregnet, manchmal ohne Unterbrechung von Morgens bis Abends.
Wenn Regen im Anzug ist, kann man ihn fast riechen, sofort hängt eine ganz andere Stimmung in der Luft. Zuerst ziehen sich die Wolken zusammen, der Himmel verdunkelt sich, es wird richtig kühl und es beginnt zu winden. Innerhalb von Sekunden fängt es an zu prasseln, das Wasser läuft in Strömen und draußen bilden sich Pfützen und kleine Bäche.
In unserem Fall verwandelte sich auch das Klassenzimmer in einen "swimming pool". Sobald es die ersten Anzeichen für Regen gab, wurden alles Sachen zusammengepackt und alle verließen fluchtartig die Klasse um sich irgendwo unterzustellen. Wir konnten richtig zusehen wie nach und nach eine Platte des Wellblechdaches nach der anderen vom Regen und Wind mitgerissen wurde. Während wir im Freien herumlungerten, verriegelten sich die Lehrer im Lehrerzimmer vorm Fernseher.
Wir hatten also wieder kein Unterricht, wenn nicht gerade wegen dem Regen dann wegen der Sonne. Selbst die Lehrer die überhaupt zur Klasse kamen, verließen sie nach fünf Minuten schon wieder. Ich hab mich gefragt für was wir eigentlich Schulgeld bezahlt haben. Erst haben sie so einen Stress gemacht und alle nach Hause geschickt und jetzt wo alle gezahlt haben bekommen sie nichts dafür.
Ich war weniger über den Unterrichtsausfall erstaunt als darüber, dass die Schüler trotzdem jeden Tag zur Schule gekommen sind um acht Stunden in der Klasse zu sitzen ohne dass sich auch nur ein einziger Lehrer blicken ließ. Später haben wir dann begonnen früher nach Hause zu gehen, sobald sich die Gelegenheit dazu bot und die Torwächter gerade Mal nicht so wachsam waren.
Der Heimweg nach dem Regen gestaltete sich immer als kleine Herausforderung, weil sich die Straßen und Gässchen in die reinsten, mit kleinen Bächen durchzogenen, Schlammwüsten verwandelten. Aber ein bisschen Abenteuer muss sein! :-)
Manchmal fing es schon vor der Schule an zu regnen, dann saß ich auch ein paar mal alleine klitschnass im Klassenzimmer. Die anderen Schüler und auch Lehrer kamen entweder später oder blieben gleich ganz zu Hause. Das könnten wir in Deutschland auch mal einführen, oder? Bei Regen und natürlich Schnee gibt es Schul- und Arbeitsfrei!
An einem Tag kam das Fernsehen um die Klassenzimmer zu filmen und ein paar Interviews mit der Schulleiterin, den Lehrern und Schülern zu führen. Nachdem die Aufnahme in den Abendnachrichten ausgestrahlt worden waren, erklärte sich die Regierung bereit die Kosten für die Renovierung zu tragen.
Direkt am Meer wurde außerdem ein neuer Block gebaut mit zwölf Klassenzimmer, die gerade fertiggestellt worden waren, es gab also freie Räume. Jeden Tag wurde uns versprochen, dass wir umziehen würden, wochenlang, während noch immer der ganze Unterricht ausfiel. Nachdem wir einen Monat vertröstet worden waren, wurde beschlossen zu "streiken". Die ganze Klasse ist also zum Lehrerzimmer marschiert um anzukünden, dass wir alle nach Hause gehen würden wenn wir keine neues Klassenzimmer bekommen würden. Sofort waren die Schulleiterin und andere Lehrer zur Stelle und haben den Protest im Keim erstickt, mit der Androhung die ganze Klasse für zwei Woche von der Schule zu verweisen. Am nächsten Tag mussten die ganzen Eltern zur Schule kommen und sofort wurden ihnen die wildesten Geschichten erzählt, wir seien mit Plakaten schreiend durch die Schule und durch die Stadt gerannt und hätten was weiß ich noch schlimmes angestellt. Letztendlich wurde beschlossen, dass wir unter Beobachtung stehen und für die nächsten Wochen Gras entfernen müssen.
Ich bin noch immer fest davon überzeugt, dass wir im Recht waren! Ich denke dass die Schulleiterin panische Angst hatte, dass das irgendwie an die Öffentlichkeit gelangen könnte, weil sie das Geld für die Renovierung schon viel früher erhalten hatte. Ich glaube eher, dass es außerhalb der Schule Proteste gegeben hätte wenn rausgekommen wäre, dass eine ganze Klasse vom der Schule suspendiert worden ist, nur weil sie auf ihr Recht auf Unterricht gepocht hat, wofür sie ja schließlich bezahlt haben.
Vor zwei Wochen wurde endlich das ganze Dach neu gedeckt und der Unterricht findet auch wieder statt. Ja und wir gehen brav Unkraut jäten. Ich konnte sie mal wieder überzeugen dass auch ein Weißer mit einer Machete umgehen und anpacken kann.

27. April 2010

Entlang der Westküste

Der zweite Teil unserer Rundreise führte uns an die Traumstrände des Westens in Richtung Elfenbeinküste. Mit dem TroTro fuhren wir von Accra nach Takoradi und von dort weiter an die Küste. Unser erstes Ziel war das kleine Fischerdorf Busua. Dort kamen wir in einem kleinen Gasthaus unter und wurden sofort von dem freundlichen Besitzer in breitem Berlinerisch begrüßt. Er hatte für ein paar Jahre in Deutschland gewohnt und bot uns gleich einen Sonderpreis an - 2,50 Euro für ein Doppelzimmer. Bei dem Preis konnten wir uns nicht beschweren.

Busua hat einen wunderschönen, grün bewaldeten Strand und an den hohen Bäumen leuchteten große, rote Blüten. Eine kleine Insel erhob sich aus dem Meer und in den Wellen schaukelten bunte Holzboote. Wir unternahmen eine Wanderung nach Butre, dem drei Kilometer entfernten Nachbardorf. Nachdem wir ein Stückchen am Strand entlang gelaufen waren, folgten wir einem kleinen Pfad durch den Wald. Der Weg führte über einen Berg und als sich der Wald lichtete hatten wir einen tollen Ausblick auf das Dorf, dass durch eine Flussmündung von einem weiten Sandstrand getrennt wurde. Eine kleine, krumme Holzbrücke ging über den klaren Fluss, auf dessen Oberfläche die Sonne glitzerte. Nachdem wir eine Zeitlang am Strand gesessen hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Abends saßen wir im Sand, aßen Reis und frische Orangen und genossen die kühle Nachtluft. Wir lagen im flachen Wasser und wurden sanft von den Wellen umspült. Über uns strahlten die Sterne und vom Ufer spiegelten sich die Lichter des Dorfes glänzend im Wasser.

Am nächsten Tag gingen wir zu Fuß weiter nach Akwidaa, ungefähr 15 Kilometer entfernt von Busua. Den ersten Teil gingen wir auf einer roten Schotterpiste, die sich durch das hügelige, dicht bewaldete Küstengebiet schlängelte. Nach ungefähr einer Stunde folgten wir einem kleinen Pfad ans Meer, um nicht die ganzen schönen Strände zu verpassen. Nun reihte sich eine einsame Bucht an die andere, feinster Sand, zackige Klippen, türkisfarbenes Wasser und ein strahlend blauer Himmel. Immer wieder legten wir eine Pause ein, um in die kalten, klaren Wellen zu springen. Die ganze Zeit trafen wir, bis auf in einem kleinen Dorf, auf keine Menschen. Wir waren an dem schönsten Abschnitt der ghanaischen Küste angekommen.

Nach einer Zeit kehrten wir dem Strand wieder den Rücken zu und folgten einem kleinen Trampelpfad im Schatten der Bäume. Von überall klang das Zirpen der Grillen und Zwitschern der Vögeln und unzählige bunte Schmetterlinge schwirrten umher. Einen Kilometer vor Akwidaa stieß der Pfad wieder ans Meer und den letzten Abschnitt liefen wir einen langen, von Palmen gesäumten Sandstrand entlang.

In Akwidaa versorten wir uns wieder mit Proviant, bevor wir weiter der Küste nach Cape Three Points folgten, dem südlichsten Punkt Ghanas. Wir hatten Glück und nur wenige Minuten später wurden wir von einem Jeep auf der Ladefläche mitgenommen. In voller Fahrt ging es über die hügelige Schotterpiste, eine rote Staubwolke hinter uns lassend. Als wir in Cape Three Points ankamen war unsere Haut rot und unsere Haare orange. Nach einer kurzen Abkühlung im Meer nahmen wir die letzte Etappe unseres Weges in Angriff. Ein ungefähr zweistündiger Fußweg führte über einen Berg und von dort weiter an der Küste nach Princes Town, wo wir gerade mit Anbruch der Dämmerung eintrafen.Nachdem wir ein Gasthaus gefunden hatten fielen wir nach einer Dusche völlig erschöpft ins Bett und konnten am nächsten Morgen richtig lang ausschlafen.

Eigentlich hatten wir geplant eine Nacht in Akwidaa und eine zweite in Cape Three Points am Strand zu übernachten doch wir sind so gut voran gekommen, dass wir die ganze Strecke an einem Tag zurückgelegt haben.

Von Princes Town wollten wir zu Fuß weiter nach Axim, doch es kam anders. Als wir uns bepackt mit Essen und Trinkwasser für die nächsten Tage auf den Weg machten wurde uns beim Versuch eine Lagune zu durchqueren unsere Sachen geklaut. So endete unsere Reise auf dem Polizeirevier bei einem sehr "seriösen" Polizisten der in Unterhemnd vor uns stand und unsere Personalien auf einen Schmierzettel schrieb. Jetzt müssen wir eben abwarten was dabei rauskommt.

Wir hatten trotzdem eine tolle Reise, auch wenn wir früher als geplant wieder in Accra waren!

Impressionen

 

26. April 2010

Reise in den Norden


In der letzten Woche vor den Ferien haben wir wieder unsere Examinations geschrieben, neun Arbeiten innerhalb einer Woche. Jetzt haben wir seit drei Wochen Ferien.Nach drei Monaten Schule endlich fünf Wochen frei! Unserer Rundreise stand also nichts mehr im Weg. Zehn Tage lang sind wir einmal quer durch Ghana gefahren. Es war die beste Reise meines Lebens und ich habe so unglaublich viel gesehen, erlebt und so viele tolle und interessante Menschen kennen gelernt. Als Sarah und ich uns am Montag früh auf den Weg gemacht haben, wussten wir nicht viel mehr als dass wir mit einem Frachtschiff über den Volta Stausee nach Tamale fahren und einmal an Bord übernachten würden. Alles andere hat sich spontan ergeben und wir sind gut herum gekommen! Unsere Reise wäre sicher nicht so ereignisreich gewesen, wenn wir alles im Vorhinein geplant hätten. Mit dem Trotro sind wir nach Accra und von dort weiter nach Akosombo an den Volta Stausee gefahren. Als wir am Hafen ankamen, wo der Frachter ablegen sollte, traf uns der Schlag. Elf andere Obrunis, was für ein Schock! Seit langem habe ich nicht mehr so viele Weiße auf einmal gesehen und dazu noch so viele, die deutsch sprachen. Nachdem wir unser Ticket für die 3. Klasse ergattert hatten, konnten wir nach stundenlangem Warten endlich an Bord der "MV Yapei Queen" gehen. Sofort haben wir uns einen Platz auf dem obersten Deck gesichert und es uns erst mal bequem gemacht. Von dort hatten wir einen tollen Ausblick auf den See und die grün bewaldeten Berge. Die tief stehende Sonne spiegelte sich auf dem Wasser und den dunklen Silhouetten der Fischer in ihren Holzkanus. Die Ausläufer der Berge vielen sanft zum See hin ab und die Spitzen versanken in der Ferne im Nebel.

Nur wenige Minuten nach unserer Abfahrt fing es an zu regnen. Die Tropfen prasselten auf das Wellblechdach und peitschte uns um die Ohren und schon bald lief das Wasser in Strömen über das Deck und graue Regenschwaden hingen in den Bergen. Doch so plötzlich wie es angefangen hatte war es auch schon wieder vorbei. Der Himmel klarte auf und wir konnten die Sonne hinter den Bergen verschwinden sehen. An die Reling gelehnt genossen wir die kühle Nachtluft. Über uns erstreckte sich ein leuchtender Sternenhimmel und unter uns stoben die Funken aus der Schiffsküche in die dunkle Nacht. Es schien als schwebten wir ins dieser nächtlichen Stille und nur vereinzelte, flackernde Lichter am Ufer verrieten dass dort noch andere Menschen waren, im warmen Licht der Lagerfeuer.

Gerade als alles getrocknet war, zog der Himmel zu und ein Unwetter brach über uns herein. In Decken gehüllt saßen wir zusammen, während der Sturm um uns tobte. Nachdem die Fragen, ob wir uns Sorgen machen sollten oder ob der Frachter so eine Art paradaischer Käfig sei, nicht beantwortet werden konnte, konnten wir das Speltakel in vollen Zügen genießen. Der Regen trommelte auf das Dach und übertönte das Trönen der Motoren. Der Donner rollte, Blitze durchrissen die Nacht und zauberten ein Lichtspiel in die Wolken. Immer wieder tauchten im Schein der Blitze die Umrisse einer kleinen Insel aus der Dunkelheit auf und versanken wieder im tiefen Schwarz. Wir wickelten uns noch enger in unsere Decken um uns vor dem Regen zu schützen, der über das Deck fegte und wie feine Nadelspitzen in die Haut drang. So warteten wir, bis der Sturm sich wieder legte.

Ich machte es mir auf der Holzbank so bequem wie möglich und schlummerte langsam ein. Mitten in der Nacht wurden wir erneut vom Regen geweckt und nach und nach verzogen sich alle nach unten ins Trockene, bis nur noch Sarah und ich auf dem Deck waren. Eine Zeit lang blickten wir in die Dunkelheit und hingen unseren Gedanken nach, bis uns der Regen in den Schlaf wiegte und wir erst wieder am späten Morgen erwachten.
Im Laufe des Tages wurden die Berge immer flacher und schmale Landzungen und Inseln verliefen sich mit ihren roten, sandigen Ufern im Wasser. Fischerboote lagen vor den Sandbänken und an Land standen kleine Lehmhütten mit ihren Stroh bedeckten Dächern. An drei kleinen Dörfern legten wir an um Passagiere und Waren an Bord zu nehmen und schon bald verwandelte sich die Ladefläche in einen schwimmende Marktbude. Wir vertrieben uns die Zeit indem wir an Deck saßen, uns unterhielten und ein ums andre Mal das ghanaische Spiel Oware spielten. Dazu aßen wir frische Wassermelone und leckeres Kenkey aus der Schiffsküche.



Da wir trotz Gewitter schnell vorangekommen waren, kamen wir mitten in der Nacht und nicht wie geplant am nächsten Morgen in Yeji an. Für die verbliebenen Stunden lohnte es sich nicht mehr ein Gasthaus zu suchen, deswegen beschlossen wir am Ufer oder auf dem Deck der ankernden Fähre zu schlafen. Dieses Vorhaben wurde uns jedoch schnell von den Dorfbewohnern ausgeredet und letztendlich durften wir im Kino übernachten, gemeinsam mit vier anderen Freiwilligen aus Deutschland und Holland. Simon und Ruben wollten in die gleiche Richtung uns so beschlossen wir die nächsten Tage gemeinsam weiter zu reisen. Am nächsten Morgen aßen wir an einer Bude "Bread and Eg", was auf unserer Reise zum täglichen Frühstück wurde. Nach einem erfrischenden Bad im See wurden wir mit einem Holzkanu auf die andere Seite gebracht und konnten gerade noch die letzten freien Sitze in dem Bus nach Tamale ergattern.


Je weiter wir in den Norden des Landes kamen desto heißer, trockener und staubiger wurde es. Die Straße nach Tamale, eine rote, hubbelige Schotterpiste, führte durch eine weite Baumsavanne mit roter, sandiger Erde. Da der Norden des Landes islamisch geprägt ist, sah man nun in jedem Dorf Moscheen und die eckigen Hütten und Wellblechdächer des Südens wurden von den traditionellen, runden, mit Stroh bedeckten Lehmhütten abgelöst. Auch die Verständigung wurde schwieriger, da viele Leute gar kein oder nur sehr schlechtes Englisch sprachen.




In Tamale schlenderten wir durch die Stadt, gingen über den Markt und stöberten durch die Stände des Souvenir Marktes.Bis spät in die Nacht saßen wir auf der Dachterrasse einer Bar, hoch über den Lichtern der Stadt. Zurück im Gasthaus blieb uns noch genau eine Stunde Schlaf.
Am Tag zuvor wurde uns versichert, dass wir die Tickets erst am nächsten Morgen für den Bus nach Mole kaufen könnten. Als wir jedoch pünktlich um vier an der "Car Station" ankamen hieß es, die Tickets seien alle schon am Vortag ausverkauft worden. Man sollte sich eben nie auf eine ghanaische Zeitangabe verlassen! Letzendlich haben wir doch noch einen Bus nach Damongo bekommen und von dort ein Taxi, das jedoch auf halber Strecke stehen blieb, zum Mole Nationalpark.
Das Mole Motel, in dem wir die erste Nacht unterkamen, liegt auf einem Hügel und dient als Ausgangspunkt für die Safaris. Abends saßen wir auf der Ausichtsplattform, genossen den Ausblick und lauschten dem Zwitschern der Vögel. Vor uns erstreckte sich die Savanne aus Graß, Büschen und niedrige Bäumen und direkt unter uns lag ein großes Wasserloch. In der Trockenzeit kann man von dort Elefanten und anderen Tiere sehen. Die meisten Tiere hatten sich jedoch weiter ins Innere des Parkes zurückgezogen, da es in letzter Zeit öfters geregnet hat. Als wir später im Freien zu Abend aßen, bekamen wir plötzlich Gesellschaft von einem hungrigen Wildschwein.
Am nächsten Morgen standen wir früh auf, um eine geführte Wanderung zum Wasserloch zu machen. Wir sahen Affen, Antilopen, Rehe und Krokodile. Von den größeren Tieren wie Elefanten, Büffel oder Löwen war jedoch nichts zu sehen. Den Tag über vergnügten wir uns am Pool und beobachteten die Affen, die bis zum Hotel kamen um den nichts ahnenden Besuchern des Restaurants ein Häppchen abzuluchsen. Am Nachmittag unternahmen wir eine zweite Safari. Dieses Mal mit dem Auto, um tiefer in Park zu gelangen. Wir saßen auf der Ladefläche des Jeeps und ließen uns den Fahrtwind um die Ohren pfeifen. Rehe, Antilopen und Wasserböcke suchten das Weite sobald sie uns bemerkten und Affen tollten in den Bäumen. Und nicht zu vergessen die Hinterlassenschaften eines Büffels, jedoch weit und breit keine Spur des Verursachers. Gerade als wir auf dem Rückweg waren erhielten wir einen Anruf. Sofort wurde gewendet und in voller Fahrt ging es zurück. Da stand sie auf einem Hügel, die Hauptattraktion des Parks: Mr. Elefant!

Als wir wieder beim Hotel ankamen wurde es schon dunkel und im Schein einer Taschenlampe machten wir uns auf den Weg durch die Savanne zu einer Baumplattform. Es war stockdunkel und wir konnten kaum unsere eigenen Füße sehen. Über uns strahlten die Sterne und zwischen den Bäumen leuchteten die Augen der Tiere hervor, die uns völlig lautlos aus der Dunkelheit beobachteten. Am Baumhaus angekommen machten wir es uns auf den Brettern bequem, aßen Kekse und lauschten den Geräuschen des Waldes. Die Vögel sangen in den Bäumen, aus einem Tümpel drang das Röhren der Frösche und in der Ferne erklang das Heulen der Hyänen. Da unser Guide quer vor dem Eingang lag, das Gewehr im Arm, schliefen wir übertrieben gut bewacht und sicher vor wilden Tieren ein.



Am nächsten Tag fuhren wir zurück nach Larabanga und von dort weiter nach Wa. Während wir auf einer Mauer saßen und Reis aus der Tüte aßen, bekamen wir von zwei kleinen Jungen ein privates Trommelkonzert auf einer Mülltonne dargeboten. 


                                           Ghanas älteste Moschee!
 

                                           Der Chief - Palace! 
 



Nach einer Nacht im Gasthaus fuhren wir weiter nach Wechiau. Dort befindet sich das Hippo Sanctuary, ein Projekt das von den umliegenden Communities gegründet wurde. Durch den Tourismus konnten in den Dörfern Schulen und Brunnen für frisches Trinkwasser gebohrt werden. Von Wechiau ging es mit dem Fahrrad in der prallen Mittagssonne über eine rote, hubbelige Schotterpiste weiter zum Schwarzen Volta, der die Grenze zu Burkina Faso bildet. Dort angekommen unternahmen wir eine Kanutur den Fluss hinunter und schon nach wenigen Minuten sahen wir die ersten Hippos, die faul im Wasser lagen und sich die Sonne auf ihren breiten Rücken scheinen ließen. Zum krönenden Abschluss schwammen wir noch ans andere Ufer und waren für ganze zehn Minuten illegale Einwanderer in Burkina Faso. 


                                Weil die Nächte so heiß sind, wird auf dem Dach geschlafen! 
                                              Die Dusche! Outdoor Bucket Job! 
                                 Ein Ausflug nach Burkine Faso!


Die Nacht verbrachten wir wieder auf einem Baumhaus und fuhren am nächsten Morgen mit dem Fahrrad zurück nach Wechiau. Weil von dort nur sehr selten TroTros fahren, wurden wir von einem Pick-Up nach Wa mitgenommen. Wir drängten uns gemeinsam mit zehn anderen Leuten auf dem Rand der Ladefläche und waren bei den ganzen Hubbeln vollauf damit beschäftigt keinen Abgang zu machen. Ich liebe diese lustige, windige Art des Reisens. 

An diesem Tag wurde unsere Geduld auf die Probe gestellt. Wir mussten acht Stunden im Bus warten bis er endlich losfuhr und als er mit zwei Stunden Verspätung endlich ankam war es mitten in der Nacht. Da alle Gasthäuser schon geschlossen hatten durften wir noch zwei Stunden im Bus schlafen, bevor wir um sechs zum Kulturzentrum gingen. Wir saßen ungefähr 18 Stunden in diesem Bus und haben uns trotzdem kein einziges Mal beschwert. Normalerweise ärgert man sich schon, wenn man eine halbe Stunde auf den Bus warten muss. Wir haben eben doch schon sehr die ghanaische Gelassenheit angenommen. Außerdem gab es vom Fenster aus einiges zu sehen. Immer wieder sieht man in Ghana Leute Medizin auf der Straße verkaufen. Diese hoch angepriesenen Wundermittel sollen andscheinend gegen alles helfen: Mückenstiche, Malaria, Geschlechtskrankheiten und dazu sollen sie auch noch star und schön machen. Aber es wird geglaubt und fleißig gekauft.
                                           Einträchtig beim Mittagessen! 
                                 Die Wundermedizin! 
                                 Das Eis aus der Tüte!
 

Im Kulturzentrum haben wir zwei Musikern getroffen, die wir schon bei unserem letzten Besuch in Kumasi kennen gelernt haben. Nachdem wir gemeinsam "Bread and Eg" essen waren, nahmen sie uns mit in ihr Studio um uns eine ihrer CD's zu schenken.
Von Kumasi ging unsere Reise weiter zum Lake Bosumtwi. Der See liegt in einem malerischen, dicht bewaldeten Krater, der einst durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist. Für die Ashati ist der See heilig und den Fischern ist es verboten traditionelle Holzkanus zu benutzen. Stattdessen gehen sie auf flachen Holzbalken fischen und benutzen ihre Hände zum paddeln. Wir liefen am Ufer entlang, bekamen von ein paar Kindern frische Mangos geschenkt, bis wir eine schöne Stelle zum baden gefunden hatten. Als wir Abends am Ufer im Grass saßen, bekamen wir sofort Gesellschaft von den Jugendlichen aus dem Dorf. Gerade als wir es uns zum Schlafen auf der Wiese gemütlich machen wollten, verdunkelte sich der Himmel über dem See. Ein paar Rastas boten uns Unterschlupf in einem verlassenen Hotel. Während das Gewitter um uns tobte, aßen wir gemeinsam Reis und saßen bis spät in die Nacht singend, klatschend und trommelnd auf dem Balkon.
                                           Ein Boot der Fischer am Lake Bosumtwi!
                                  Ein musikalischer Abend!
                                   Picknick am See... 
                                 ... mit leckerem Kekey!
 
Am nächsten Mittag fuhren wir wieder zurück nach Kumasi und von dort weiter nach Accra. Wieder zu Hause fielen wir erstmal wie tot ins Bett um den ganzen Schlaf der letzten Woche nachzuholen. Schließlich haben wir von den zehn Tagen die wir unterwegs waren gerade mal drei Nächte in einem richtigen Bett verbracht. Dadurch haben wir unsere Reisekosten sehr gering gehalten und umso mehr Spaß gehabt. Wir haben uns also erstmal drei Tage ausgeruht, bevor wir zum zweiten Teil unserer Reise aufgebrochen sind.