3. März 2010
Cape Coast, Nationalpark und Kumasi
Im Januar kam Sarahs Mutter zu Besuch und gemeinsam sind wir von Cape Coast über den Kakum-Nationalpark nach Kumasi gereist.
Weil wir keine Ahnung hatten wohin wir mussten, haben wir uns erstmal vom TroTro-Fahrer mitten in Cape Coast aussetzen lassen. Um uns irgendwie orientieren zu können sind wir erstmal durch die halbe Stadt zur Küste gelaufen. Ein kilometerlanger, mit Palmen gesäumter Sandstrand mit wunderschönen hohen Wellen. Mit Ausnahme von ein paar Fischern, die ihre Netze singend an Land zogen, war der Strand menschenleer. Nachdem wir unser Gasthaus auf der Karte gefunden hatten, liefen wir den ganzen Weg durch den weichen Sand, die Füße sanft umspült von den schaumigen, kühlen Wellen. Schon bald erreichten wir „Sahralotte“ unser kleines, gemütliches Gasthaus, dass nur 30 Meter entfernt vom Meer lag. An einem kleinen Stand haben wir Waakje (Reis und Bohnen mit scharfem Pfeffer) gekauft und uns zum Essen an den Strand gesetzt. Diese Art zu essen ist absolut unaufwändig , man ist einfach mit der Hand aus der Tüte. Solangsam schmeckt mir das Essen mit Besteck nicht mehr, ich muss also erstmal einen Benimmkurs belegen wenn ich wieder zurück bin!
Den restlichen Tag waren wir schwimmen, bis die untergehende Sonne die dunklen Silhouetten der Palmen in rotes Licht tauchte. Auf dem Rücken liegend haben wir die Sterne bewundert und den brandenden Wellen gelauscht.
Am nächsten Morgen haben wir Weißbrot und Kakao gekauft und am Strand gefrühstückt. Nach einer Abkühlung im Meer haben wir uns auf den Weg zum „Cape Coast Castle“ gemacht. Diese mächtige Burg mit ihren gewaltigen weißen Mauern wurde einst von den Briten errichtet und gehörte zu den größten Sklavenburgen der Welt. Die Führung war gut gemacht und interessant wenn auch genauso erschreckend. Es war ein beklemmendes Gefühl durch die finsteren, kalten Steingewölbe zu gehen, in denen so viele Menschen auf engstem Raum unter unglaublich grausamen Verhältnissen zusammengepfercht wurden und so viele kläglich umgekommen sind. Bevor man die Sklaven in die Kerker brachte, wurden sie mit glühenden Eisen gebrandmarkt und aneinander gekettet. Monatelang mussten sie ohne Licht und frische Luft ausharren, zum Teil kniehoch in ihren eigenen Exkrementen. Jeder der auf irgendeine Weise Widerstand leistete wurde ohne jegliches Verfahren in die Todeszelle gebracht. In diesem kleinen Raum mussten sie ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Licht und frische Luft gefesselt auf dem harten Steinboden liegen, bis auch der Letzte verhungert, verdurstet oder erstickt war und man ihre Leichen ins Meer warf. Wer diese Zeit überlebte wurde durch die „Door Of No Return“ verfrachtet und unter nicht weniger grausamen Verhältnissen nach Europa und Amerika gebracht. Die wenigen Sklaven, die diese lange Reise überlebten, wurden wie Vieh auf den Märkten an ihre neuen Herren verkauft.
Auch wenn es seltsam war auf dem gleichen Boden zu stehen und die selben Wände zu berühren war es doch alles sehr unreal, denn das Erzählte war so entsetzlich grausam, dass es kaum vorstellbar war. An der Wand lehnten Blumenkränze zum Gedenken an die Opfer, unter anderem einer von Barack Obama.
In den oberen Stockwerken befanden sich die geräumigen, luftigen Gemächer der Offiziere mit Blick aufs Meer und der Sklavenmarkt. Außerdem befindet sich in der Burg das „Historische Museum für westafrikanische Geschichte“, das größte Museum über die Geschichte der Sklaverei.
Am nächsten Tag sind wir in den Kakum-Nationalpark gefahren. Im Gegensatz zum letzten Mal war es richtig leer und angenehm ruhig, weil keine Schulklassen oder Reisegruppe da war. Wir sind wieder über den Canopy Walkway gegangen und haben die Aussicht über den endlosen, grünen, verschlungenen Regenwald genossen. Frische Luft, das Zwitschern der Vögel, das Zirpen der Grillen und eine vorbeihuschende, grüne Schlange im Gebüsch.
Um fünf kam unser „Guide“ der uns auf einer Nachtwanderung und einer Übernachtung im Wald begleiten sollte. Gemeinsam gingen wir zum dem Camp, mitten im Regenwald. Das Camp befand sich auf einer kleinen Richtung und bestand aus einer Ansammlung von fünf Zelten, die verstreut unter den Baumriesen standen. Während wir auf den Einbruch der Nacht warteten, sahen wir hoch oben in den Baumkronen kreischende Affen vorbeihuschen und das Zwitschern der Vögel wurde lauter und vermischte sich mit den Schreien und Lauten der anderen Waldbewohner. Als es nahezu dunkel war machten wir uns, mit Taschenlampen ausgestattet, auf den Weg. Auf engen, verwundenen Pfaden gingen wir durch das schattige Gewirr des Waldes und die Lichtstrahlen der Taschenlampen huschten suchend durch das Gestrüpp und über die riesigen Wurzeln der uralten afrikanischen Bäume. Doch außer einer Riesenspinne, einer Schlange, einer Waldmaus und den Affen bekamen wir keines der Tiere zu Gesicht. Dafür hallten umso mehr Schreie der Baumkatzen und Waldratten durch die Stille, die zum Teil richtig unheimlich nach den Schreien einer Frau klang. Als wir für einen Moment die die Lampen ausschalteten waren wir von einer undurchdringlichen Schwärze umgeben und jedes Geräusch wurde noch lauter und intensiver. Einmal hörten wir ein lautes, tiefes Röhren, dass nach dem Ruf einer der Waldelefanten klang.
Als wir den Eingang zum Walkway erreichten baten wir unseren Führer noch einmal die Hängebrücken betreten zu dürfen und dieses Mal unterschied sich von den vorhergehenden. Behutsam, um ja kein Geräusch zu verursachen, gingen wir über die wackligen Bretter bis zu einer der Holzplattformen hoch oben in einer der gewaltigen Baumkronen. Als ich den Kopf in den Nacken legte um zum Himmel aufzublicken, blieb mir der Atem stehen. Über mir erstreckte sich ein endloser, tiefschwarzer Himmel und die unzähligen Sterne leuchteten so unglaublich hell und groß als wären sie zum Greifen nahe. In diesem Moment konnte ich die Schilderungen des afrikanischen Himmels nachvollziehen, denn über mir erstreckte sich der schönste Sternenhimmel, den ich je gesehen habe. So hoch oben in den Bäumen, umweht vom kühlen Nachtwind, hatten ich das Gefühl den ganzen Regenwald für uns alleine zu haben.
Leider viel zu schnell mussten wir zum Camp zurück und wieder unter das undurchdringliche Dach aus Blättern abtauchen. Wir saßen noch eine Zeit vor dem Zelt, genossen die friedliche Atmosphäre und lauschten den Geräuschen des Waldes. Sobald ich im Zelt lag, viel ich in einen tiefen, angenehmen Schlaf und erwachte erst wieder als es schon langsam hell wurde.
Nach einer einstündigen Führung mit Erklärungen zu den verschiedenen Bäumen und ihren Funktionen kamen wir wieder beim Restaurant an und haben erstmal gemütlich gefrühstückt.
Danach sind wir mit dem TroTro zurück nach Cape Coast und von dort weiter nach Kumasi, der kulturellen Hauptstadt Ghanas, gefahren. Die nächsten drei Tage haben wir im Hotel „Sanbra“ gewohnt, das für den Preis richtig luxuriös war, mit DUSCHE, Klimaanlage und Frühstück aus Brot mit Rührei und BUTTER inklusive!
Am nächsten Morgen sind wir auf den „Kejetia Central Market“ gegangen, dem größten Mark in ganz Afrika! Der Markt war beeindruckend und ich finde Jojo Cobbinah trifft es gut, wenn er ihn mit den folgenden Worten beschreibt: „Der Central Market ist groß, er ist laut, er ist vital, charmant und hässlich, er ist chaotisch aber er funktioniert ... Spätestens hier zeigt Afrika sein wahres Gesicht: ohne falsche Scham, lebendig und vielfältig.“ Auf einem riesigen Platz drängt sich eine Marktbude an die andere. Sobald man in die Nähe des Marktes kommt findet man sich in einer Menschenmenge wieder, die einen ins Innere des Marktes schwemmt, hinein in die kleinen, verwinkelten Gässchen. Sobald man schneller oder langsamer als der Rest ging, entstand ein Drängeln und Schubsen. Man ist umgeben von einem Meer aus Menschen mit dunkler Haut und kunterbunten Kleidern. Überall wurden uns neugierige Blicke zugeworfen und an jeder Ecke wurden wir von einer der Marktfrauen begrüßt und herzlich willkommen geheißen. Der Markt ist in Abschnitte aufgeteilt in denen Stoffe, Klamotten, Lebensmittel, Metallware und vieles mehr angeboten werden. Die meiste Zeit verbrachten wir bei den Stoffen, die sich in hunderten von Ständen und tausenden Regalen übereinander stapelten. Dieser Teil war zugleich der schönste, bunteste und ruhigste Teil des Marktes. Über den restlichen Markt sind wir nur flüchtig gelaufen. Manche Teile waren so voll und chaotisch, dass man aufpassen musste nicht den Menschen, mit ihren schweren Lasten auf dem Kopf, im Weg zu stehen oder von einem der großen Handkarren überrollt zu werden.
Es herrscht eine schöne Atmosphäre auf dem Markt, doch nicht alles ist so vollkommen wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Manche Ecken quellen vor Müll nur so über, die offenen Abwasserkanäle verströmen eine unangenehmen Geruch und auch die Armut in der viele Menschen hier leben wird einem bewusst. Wie so vieles in Ghana hat der Markt zwei Gesichter. Zum Beispiel die atemberaubenden Landschaften und die tollen, gastfreundlichen Menschen auf der einen Seite, die überquellenden Müllberge und die schlagenden Lehrer auf der anderen Seite.
Nach ein paar Stunden im Gedränge sind wir in den ruhigen Park des Kulturzentrums geflüchtet. Dort haben wir uns in den Schatten eines Baumes gesetzt, frische Bananen und Kekse gegessen und eiskaltes Wasser geschlürft. Danach haben wir uns die vielen Galerien, Werkstädten und Läden angeschaut. In den Galerien wurden ghanaische Gemälde ausgestellt und gemalt und in den Werkstädten wurden Trommeln, Stoffe,Schmuck und andere traditionelle Kunst hergestellt. Überall bestand die Möglichkeit den Künstlern über den Rücken zu schauen.
Am letzten Tag unserer Reise sind wir in das kleine Dorf Bonwire gefahren, indem der Ursprung der Kente-Weberei liegt, dem traditionellen, ghanaischen Stoff der Ashanti. Es war interessant den Webern zuzuschauen, die in ihre hoch komplizierte Arbeit vertieft waren. Nervig waren nur die Männer, die uns ständig in ihre Läden ziehen wollten und einfach nicht verstehen konnten, dass wir uns die Stoffe nicht leisten konnten und einfach nur Interesse an der Herstellung hatten.
Im nächsten Dorf sollte laut Reiseführer Glasperlen hergestellt werden, was sich jedoch als falsch herausstellte. Die Fahrt hat sich trotzdem gelohnt, weil es ein schönes, kleines Dörfchen war.
Am nächsten Morgen haben wir uns auf die lange Rückfahrt nach Teshie gemacht. Als wir in Accra waren fing es so heftig an zu regnen, dass das Wasser durch das undichte Dach und die Fenster des TroTros strömte. Die Straßen standen unter Wasser und die offenen Abwasserkanäle verwandelten sich in reißende Bäche. Die letzte Strecke sind wir Barfuß gelaufen, weil die Flip-Flops immer wieder im Schlamm stecken geblieben sind. Teilweise standen wir bis zu den Knien im Wasser, da sich die hubbeligen Straßen in eine Pfützenlandschaft verwandelt hatten.Der dunkle Himmel wurde von violetten Blitzen zerrissen und zum ersten Mal hat es richtig gedonnert. Wieder zu Hause haben wir erstmal geduscht um den ganzen Schlamm abzuwaschen.
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