11. Oktober 2009

Partukorpe

Am letzten Dienstag war ich wieder nicht in der Schule. Schon früh morgens sind wir aufgebrochen um nach Partukorpe zu fahren, dem kleinen Fischerdorf in der Nähe von Ada, von dem die meisten von euch wahrscheinlich schon gehört haben. Nach mehreren Stunden im Trotro und einer anschließenden Taxifahrt, sind wir in Partukorpe angekommen. Auf dem Weg fährt man durch eine endlos weite, steppenähnliche Graslandschaft, die sich in Grün- und Gelbtönen zu beiden Seiten der Straße erstreckt. Zwischendrin stehen vereinzelt niedrige Bäume und immer wieder erheben sich rote Termitenhügel aus dem Boden. Alles ist ruhig und menschenleer und nur ab und zu sieht man die traditionellen Hütten eines kleinen Dorfes. Sobald man durch einen Ort fährt, wird es lauter, hektischer und voller. Verkäufer stürzen an das Auto, um ihre Waren anzupreisen und von jeder Ecke tönt Musik. Sobald man in die Nähe der Küste kommt, werden die niedrigen Bäume von majestätisch in den blauen Himmel regenden Palmen abgelöst. Die asphaltierten Straßen gehen in unbefestigte Straßen aus roter Erde über und die Schlaglöcher und Hubbel nehmen zu. Partukorpe ist einfach traumhaft und es würde einem nicht schwer fallen, bei dieser Idylle, die Armut der Menschen zu vergessen, die hier leben. Alles erscheint so friedlich und angenehm ruhig, was zum Teil daran liegt, dass es hier keinen Strom gibt. Ich habe soviel über Partukorpe geschrieben und erzählt, aber alles war mal wieder ganz anders, wie ich es mir vorgestellt habe. Partukorpe ist ein kleines, abgelegenes Dorf, direkt an der Küste. Die traditionellen, eckigen Lehmhütten mit ihren Dächern aus getrockneten Palmwedeln standen in Gruppen zusammen, die zum Teil von einem Zaun aus ebenfalls getrockneten Palmwedeln umschlossen. Sobald wir das Dorf betreten haben,wurden wir sofort herzlich willkommen geheißen und es wurden Stühle im freien aufgestellt. Nach der Tradition wird dem eine Schale mit Wasser gebracht, die von dem Gast dankend entgegen genommen und in verschiedene Richtungen auf die Erde geschüttet wird. Wir saßen im Schatten der Palmen, während vom Meer ein angenehm kühler Wind wehte. Die schöne, friedliche Stille wurde nur von dem Rauschen der brandenden Wellen durchbrochen. Das Dorf ist von sandigen Feldern umgeben, die von harter Arbeit unter glühenden Sonne zeugen. Der Hauptverdienst der Menschen hier, kommt jedoch von der Fischerei. Der Strand liegt nur ein paar hundert Meter entfernt. Ein langer, weißer, menschenleerer Sandstrand erstreckt sich so weit das Auge reicht. Die ganze Küste entlang stehen die riesigen Palmen, die in den blauen Himmel ragen. In anderen Worten: Der Strand ist einfach traumhaft und wie aus der Werbung. Richtig schwimmen konnte man allerdings nicht, da die hohen Wellen so eine Kraft hatten und so ein starker Sog entstand, dass man sich richtig dagegen stemmen musste. Am Strand lagen die traditionellen Holzboote, in deren Schatten die Fischer ihre Netze flickten. Wegen dem langen Rückweg hatten wir leider keine Zeit am Strand entlang zu wandern. Während wir mit ein paar Männern aus dem Dorf auf einer Bank saßen und auf ein Taxi gewartet haben, wurden uns frische Kokosnüsse angeboten. Wenn man die Kokosnüsse an der richtigen Stelle spaltet entsteht eine kreisrunde Öffnung, aus der man die köstliche kalte Flüssigkeit schlürfen kann und später das weiße Mark heraus kratzen kann. Sofort hatte sich eine Gruppe um uns versammelt, die den weißen beim Kokosnuss essen zuschauen wollten. Wenn hier jemand ein Handy oder Radio besitzt ist es sein ganzer Stolz, der allen zur Schau getragen wird. Außer ein paar Taxis sieht man hier so gut wie keine Autos, dafür aber umso mehr Motorräder, die bis zu vier Leute gleichzeitig transportieren. Es muss toll sein hier mit dem Motorrad über die langen roten Straßen fahren zu können, zu zelten und anhalten zu können wann immer wann will. Fast hätten wir die Möglichkeit gehabt ein Stück von einem Motorradfahrer mitgenommen zu werden. Auf dem Rückweg haben wir hunderte von Schulkindern am Straßenrand gesehen. Jeden Tag nehmen den stundenlangen Fußmarsch auf sich, um zur Schule gehen zu können. Wer hier ein Fahrrad besitzt hat ein wirkliches Privileg und jedes Fahrrad wurde mindestens von zwei Kindern benutzt.

An dieser Stelle darf ich nochmal allen Schülern und Sponsoren ganz herzlich von Rose danken, die unglaublich dankbar und überwältigt von dem Ergebnis des Spendenlaufes war und sich schon zum hundertsten Mal bedankt hat.

Die Bewohner von Partukorpe wussten noch nichts von dem Geld und ich habe auch nicht gefragt, weil ich nicht wusste ob sie es ihnen erst sagen wollen, wenn sie mit den Arbeiten weitermachen können. Ein anderes Projekt des Deutsch - Ghanaischen Entwicklungshilfevereins ist ein Kindergarten und eine Vorschule in dem Neubaugebiet von Teshie, in dem wir wohnen. Durch die Landflucht wächst dieses Neubaugebiet so schnell, dass die Leute mit dem Ausbau der Infrastruktur nicht nachkommen. Die Straßen sind schlecht, der Strom fällt immer wieder aus und seitdem ich hier bin gibt es nur manchmal fließen Wasser mitten in der Nacht. Außerdem gibt es zu wenig öffentliche Schulen und Krankenhäuser. Gerade wird ein großes, öffentliches Krankenhaus in Teshie gebaut, das von Chinesen finanziert wird. Der Kindergarten sollte eigentlich schon im September fertiggestellt werden. Wegen dem starken Regen wurde jedoch ein Teil wieder zerstört und die Arbeiten konnten nicht fortgesetzt werden. Jetzt ist das Gebäude fertig und es wird nur noch gestrichen und geputzt. Im letzten Monat hat der Kindergarten schon mit ein paar Kindern in unserem Haus begonnen und bald können sie in das richtige Gebäude umziehen. Dann werden es auch schnell mehr Kinder werden.

Weil Rose zur Zeit jeden Tag mit dem Kindergarten beschäftigt war, hatte sie keine Zeit für das Projekt in Partukorpe. Im April wird sie erneut nach Ghana kommen und dann werden wir uns intensiv um die Fertigstellung des Mehrzweckgebäudes in Partukorpe kümmern. Rose wird dann für einen Monat in Partukorpe leben, um die Arbeiten zu überwachen und sie hat mir angeboten mitzukommen. Ich hoffe dass ich wirklich die Möglichkeit bekommen werde dort für eine Zeit zu leben, um einen Eindruck von dem Leben der Menschen dort zu bekommen. Ich werde euch auf jeden Fall berichten und auf dem Laufenden halten.

Akosombo

Obwohl es jetzt schon wieder zwei Wochen her ist, möchte ich euch von unserem Ausflug zum Volta-Stausee erzählen. Da wir schon morgens losgefahren sind, hieß es für mich einen Tag schulfrei. Die langen Fahrt führte durch eine wunderschöne Landschaft, die immer wieder von flachen Graslandschaften zu dichten, grünen Palmwäldern wechselte. Das Hauptziel unseres Ausfluges war der Akosombo-Staudamm, den man nur mit einer Führung besichtigen kann. Der Akosombo-Staudamm staut den Volta zu dem größten künstlichen Stausee der Welt. Der See liegt eingebettet in die schönen Akwamu-Berge, deren grün bewaldete Ausläufer zum See hin abfallen und in der Ferne am hinteren Ende des Sees nur noch in einem nebligen Blau erscheinen. Der Volta-Stausee entstand durch den Bau des Akosombo-Staudammes, dem größten und teuersten Bauprojekt Ghanas, das nur mit der Unterstützung anderer Länder realisiert werden konnte. Vor der Überflutung des Landes mussten tausende Menschen ihre Orte verlassen und in neu errichtete Orte umsiedeln. Der Hauptzweck des Staudammes ist die Stromgewinnung, die 80% des Strombedarfs in Ghana abdeckt und zum Teil in die umliegenden Länder exportiert wird. Trotz der Größe des Staudamms ist es beeindruckend, dass er diesen gewaltigen Wassermassen standhalten kann. Der Staudamm dient aber auch als Hochwasserschutz und sobald der Wasserspiegel eine bestimmte Höhe übersteigt werden Schleusen geöffnet, die einen Teil des Wassers ableiten und den Staudamm vor dem Durchbrechen schützen. Seit dem Bau des Staudammes ist der Volta-See das ganze Jahr über schiffbar und der Fischreichtum hat zugenommen. Der Bau des Staudammes hat aber auch schlechte Nebenwirkungen mit sich gebracht: Es regnet weniger und zwei gefährliche Krankheiten, die Flussblindheit und die Wurmkrankheit Bilharziose haben sich schnell ausgebreitet. Der Staudamm hat sechs Generatoren, die je nach Bedarf alle oder nur zum Teil in Betrieb sind. Durch große Rohre stürzt das Wasser über hundert Meter in die Tiefe, bevor es hinter dem Staudamm wieder dem Volta zugeführt wird und dann bis zum Meer fließt.  Nach der Besichtigung des Staudammes hatten wir leider keine Möglichkeit weiter die Umgebung zu erkunden, da es nicht erlaubt ist sich ohne Begleitung in diesem Gebiet aufzuhalten. Deswegen sind wir auf einer anderen Straße weiter am Volta-See entlang gefahren. Am Ufer lagen zahlreiche kleine Dörfer aus den traditionellen Lehmhütten. Durch Ray haben wir die Möglichkeit bekommen den Frachthafen besichtigen zu können. Von hier legen täglich Frachtschiffe und Fähren ab, die Waren und Personen über den Volta transportieren. Es besteht die Möglichkeit für eine Woche auf einem Frachter den Volta hinauf und wieder herunter zu fahren. Vielleicht bekomme ich ja die Möglichkeit und Zeit dafür. In der Reederei lag gerade das Hospital-Ship zur Wartung. Es fährt die zahlreichen Dörfer am Ufer des Voltas ab um die kranken Menschen zu behandeln. Da die Dörfer so abgelegen sind, haben die Menschen dort keinen anderen Zugang zu einer ärztlichen Behandlung.  Nach der Besichtigung sind wir weiter am Volta entlanggefahren und wieder durch Ray haben wir die Chance bekommen in einem Dorf mit einem der Fischerboote hinaus zu fahren, wenn auch nicht zum Fischen. Es war großartig mal wieder in einem Kanu zu sitzen und zu paddeln, obwohl das Kanu in keiner Weise mit irgendeinem der Kanus zu vergleichen war, in denen ich je gesessen habe. Der Boden des Bootes war so löchrig, dass wir ständig damit beschäftigt waren das Wasser wieder heraus zu schöpfen. Das eine Weiße paddeln kann sorgte für Verwunderung und Amüsierung bei den Fischern. Überhaupt ist es sehr interessant, welche Vorstellungen manche Ghanaer von uns Weißen haben und ich bin froh dass ich sie wenigstens ab und zu von dem Gegenteil überzeugen kann. Obwohl es Mittags war waren alle Kinder im Dorf, da es wahrscheinlich keine erreichbare oder bezahlbare Schule für sie gibt. Die Menschen hier leben vom Fischfang und obwohl es hier viele Fische gibt, leben die die meisten in Armut und auch ihre Kinder werden wahrscheinlich ohne eine Schulausbildung keine anderen Zukunftschancen haben. Trotz all der Armut in der so viele Menschen leben, habe ich noch nie so fröhliche, offene und freundliche Menschen getroffen wie hier in Ghana.

4. Oktober 2009

Schule

Aus meinen ersten Schultagen sind jetzt schon drei Wochen geworden und noch immer hatte ich keine Zeit darüber zu berichten, obwohl es wieder so viel zu erzählen gibt. Durch die Schule sind meine Tage ziemlich ausgefüllt, deswegen habe ich eigentlich nur am Wochenende richtig Zeit. Dafür, dass es mir in Deutschland schon schwer fällt um sieben Uhr aus dem Bett zu kommen, fällt es mir erstaunlich leicht jeden Morgen um fünf Uhr aufzustehen. Obwohl mich hier niemand weckt, habe ich bis jetzt noch nicht verschlafen, was ich auch versuche beizubehalten, denn so dehnbar der Zeitbegriff der meisten Ghanaer ist, umso genauer wir die Pünktlichkeit in den Schulen genommen. Die erste Woche war jedoch eine Ausnahme, da weder alle Schüler noch alle Lehrer da waren und auch kein Unterricht statt fand. Deswegen kam Olivia auch nicht wie verabredet um sechs sonder regelmäßig eine Stunde zu spät. Ich hatte also immer genügend Zeit um gemütlich auf der Terrasse zu sitzen und Tee zu trinken. Bis zur Schule brauche ich zwischen einer halben und einer Stunde, je nachdem von wo aus wir ein Trotro nehmen. Wenn gerade eine Trotro vorbeikommt, dass auch noch in die richtige Richtung fährt, können wir gleich in der Nähe von unserem Haus einsteigen. Sonst müssen wir ungefähr eine halbe Stunde laufen, bis zu der nächsten größeren Trotro-Sammelstelle. Da es hier keine Straßennamen gibt oder sie zu mindestens nicht benutzt werden, heißen hier alle Ortsteile nach einem Gebäude, z.B einer Kirche, einem Laden oder einer Schule. Das richtige Trotro erkennt man an dem, vom Fahrer oder Kassierer gerufenen Namen des jeweiligen Fahrtziels. Je nachdem von wo aus wir fahren, zahle ich zwischen 10 und 20 Cent pro Fahrt. In jedem Trotro fährt ein „ Mate“ mit, der für das einsammeln des Geldes und das Rufen des Fahrtziels zuständig ist. Bis zur Schule müssen wir dann nochmal ungefähr 15 Minuten laufen. Mit meiner Schuluniform falle ich noch mehr auf als sonst, was manchmal ziemlich anstrengend wird. Aber auch daran habe ich mich so langsam gewöhnt. Überall hört man „Brofonio ya skul“, was in Ga „ein Weißer geht zur Schule“ bedeutet. Alle fragen mich wie ich heiße und ob ich Ga verstehe, was ich inzwischen auch schon in Ga beantworten kann und bei allen Freude auslöst. So langsam scheint die halbe Stadt meinen Namen zu kennen, was zum Teil ziemlich peinlich ist, weil ich mich an die meisten Leute gar nicht mehr erinnern kann. Deswegen bin ich dazu übergegangen einfach immer und alle freundlich zu grüßen. Ältere Menschen zu begrüßen, ist eine Frage von Respekt. Gestern hat mich ein Junge auf der Straße mit meinem Namen angesprochen, der mich noch nie gesehen hat. Anscheinend hat ihm ein Freund aus meiner Klasse von mir erzählt. Seitdem ich immer mit jemand unterwegs bin, der Twi oder Ga versteht, bekomme ich erst etwas von den ganzen Heiratsanträgen mit, die mir auf meinem Weg gestellt werden. Ständig werde ich von jemand am Arm festgehalten oder mir wird plötzlich die Hand geküsst. Wie ihr seht werde ich jeden Tag aufs neue überrascht. Der „FC Bayern-München“ scheint hier richtig bekannt zu sein, denn bis jetzt habe ich schon mehrere Jugendliche in Bayern Trikots gesehen und auch in der Schule wurde ich schon danach gefragt. Neben den ganzen Aufschriften auf den Trotros wie „God is great“, „With God everything is possible“ oder „Devil is a liar“ habe ich auch ein Trotro mit dem Aufdruck eines Deutschen Weinguts gesehen und auch die „Böhsen Onkelz“ waren auf einem Taxi vertreten. Ein bisschen nervig ist, dass viele Leute wenn sie etwas über mich wissen wollen, nicht mich sondern denjenigen fragen, der gerade neben mir läuft. Und ein bisschen frustrierend ist auch, dass ich meistens nur das Wort „Brofonio“ verstehe und weiß dass über mich geredet wir, aber nicht was. Anderseits ist es aber auch ein Ansporn die Sprache um so schneller zu lernen und ich merke auch, dass ich immer mehr verstehe. In der Schule habe ich die ersten Tage ziemlich für Aufregung gesorgt, als erste Weiße, die diese Schule besucht. Die ganze Aufmerksamkeit hatte aber auch den Vorteil, dass ich viele Leute kennen gelernt und schnell Freunde gefunden habe. Meine Mitschüler sind alle richtig nett und so langsam hat sich zumindest meine Klasse an mich gewöhnt. Meine Haare und meine Haut werden nicht mehr so oft angefasst und auch nach meinem Namen wird nicht mehr gefragt, weil ihn jeder kennt. Überall wo man vorbeikommt geben die Menschen einem ghanaische Namen und in der Schule ist mein neuer Name „Akos“, dem Ga-Namen für Sonntagskinder. Ständig werde ich von irgendeinem Lehrer oder Schüler hergerufen und alle wollen, dass ich jeden Tag komme, um sie zu begrüßen, was ich allerdings nicht ganz einhalten kann. Die Lehrer sind, mit ein paar Ausnahmen, echt freundlich. Es gibt aber auch solche Lehrer, die die ganze Zeit über zeigen müssen, dass sie hier das sagen haben und dass mit „I will punish you“ oder „I will cain you“ deutlich machen. Obwohl es den Lehrern in Ghana verboten ist die Schüler zu schlagen, ist es noch fest in den Vortsellungen verankert und wird auch von den meisten Schülern als selbstverständlich angesehen. Es gibt die Lehrer, die in jedem Unterricht ihren Stock dabei haben und solche die weder Strafen noch Schläge androhen. Letztere machen meiner Meinung nach einen deutlich besseren Unterricht und haben trotzdem die Aufmerksamkeit der Schüler und meistens auch mehr Beteiligung am Unterricht. Die Schüler zu bestrafen, weil sie eine Frage nicht beantworten können, ist für meine Vorstellung ziemlich unverständlich, weil man zur Schule geht um zu lernen. Außerdem führt diese Atmosphäre nur dazu, dass die Schüler nur dann eine Frage beantworten, wenn sie dazu aufgefordert werden oder sich ziemlich sicher sind. Alle sind erstaunt, wenn ich ihnen erzähle, dass das Schlagen in Deutschland verboten ist und dass sich die Lehrer auch daran halten, wenn ihnen ihr Job lieb ist. Im Großen und Ganzen, ist es aber gar nicht so schlimm, wie es sich anhört, da es meistens bei Androhungen bleibt. Wenn ein Lehrer die Klasse betritt müssen alle Schüler aufstehen und auch wenn man eine Frage stellen oder beantworten will. Es ist ziemlich schwierig zu durchschauen, was erlaubt ist und was nicht, da manches gar nicht und anderes wiederum so übergenau genommen wird. Obwohl der Unterricht erst um viertel vor acht anfängt müssen alle Schüler spätestens um sieben in der Schule sein. Die letzten zwei Tage bin ich morgens alleine zur Schule gefahren, weil ich dadurch eine halbe Stunde länger schlafen kann. Jeden Morgen wird zuerst das ganze Schulgelände und dann die Klassenräume gefegt. Danach müssen sich alle zum „Assemble“ in Reihen und nach Häusern geordnet auf dem Schulhof aufstellen. Die Schüler sind in vier Häuser aufgeteilt, die jeweils eine unterschiedliche Farbe haben. Jedes Haus hat seinen eigenen Bereich, der jeden Morgen gesäubert wird und auch bei Sportveranstaltungen treten die einzelnen Häuser gegeneinander an. Während dem Assemble werden die Schul- und die Nationalhymne gesungen und es wird gebetet. Jeden zweiten Mittwoch versammeln sich alle in der Kirche, um zu beten, zu singen und zu klatschen. Die Kirche wird auch für andere Veranstaltungen genutzt, da es keinen anderen Raum gibt, der groß genug für alle Schüler ist. In der ersten Woche fand die „Reopening Ceremony“ statt. Mit allen Schülern war die Kirche ziemlich ausgefüllt und glich einem Meer aus blau-weißen Uniformen. Nach einem Gottesdienst wurden von verschiedenen Lehrern Ansprachen gehalten und alle Schüler zum neuen Schuljahr willkommen geheißen. Außerdem wurde auf die Kleidungsvorschriften hingewiesen und alle Schüler wurden dazu aufgefordert ihre Haare und Fingernägel „short, short, short“ zu halten. Bei meinen Haaren wurde eine Ausnahme gemacht, obwohl ich immer mal wieder gefragt werde, warum ich sie nicht abschneide.  In derselben Woche waren eine ghanaische und eine amerikanische Ärztin zu Besuch um die Schüler über Aids und Hepatitis B zu informieren. Sogleich wurde festgestellt, dass die Amerikanerin genauso aussehen würde wie ich, obwohl wir außer der Hautfarbe nicht wirklich viel gemeinsam hatten. Es wurde über die Ursachen, Symptome, Vorbeugungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Krankheiten gesprochen und die Schüler wurden auf die Möglichkeit hingewiesen, sich gegen Hepatitis B impfen oder sich kostenlos auf HIV testen zu lassen. Nach dem Vortrag hatten alle Schüler die Möglichkeit Fragen zu stellen. Interessant war, dass fast alle Fragen von den Jungen gestellt wurden. Obwohl Aids in Ghana noch immer bei vielen Menschen als Tabuthema gilt, sieht man immer wieder Plakate oder Sendungen im Fernsehen, die darauf hinweisen und darüber informieren. Rose macht dieses Jahr eine Aids-Kampagne in Zusammenarbeit mit der ghanaischen Regierung, die sie auch schon letztes Jahr gemacht haben. Jeden Samstag bietet Rose in unserer Kirche eine Gesprächsrunde für alle Frauen an, in der sie unter anderem auch über HIV und Aids informiert und spricht. Zurück zur Schule: Neben den „School-Prefects“ gibt es in jeder Klasse „Class-Prefects“, die beide von den Schülern gewählt werden. Die Lehrer sieht man so gut wie nur im Unterricht, da alles andere von den „Prefects“ geleitet und geregelt wird, egal ob es die Gottesdienste, Assembles oder andere Ansprachen sind. Sie überwachen das allmorgendliche Putzen und kontrollieren, dass ja jeder etwas macht, ohne dabei selber mitzuhelfen. In der Art, wie sie ihre Befehle erteilen, wirken sie manchmal ziemlich arrogant. Wenn sie jedoch nicht gerade in ihrer Rolle als Prefects stecken, sind sie aber ganz normal und echt nett und schließlich wurden sie ja von den Schülern gewählt. Die „Class-Prefects“ sind hauptsächlich damit beschäftigt die Tafel zu putzen, Geld einzusammeln, Arbeiten auszuteilen oder Listen zu führen. Außerdem wird von den Prefects die Einhaltung der Kleidungsvorschriften kontrolliert und dass keiner vor Schulschluss das Schulgelände verlässt. Die erste Schulwoche war größtenteils ziemlich ereignislos, da wir noch kein Unterricht hatten. Die Lehrer kamen nur um die „End of Year Examinations“ zurückzugeben und teilweise zu besprechen. Auch mit vielen interessanten und lustigen Gesprächen können neun Stunden Herumsitzen und Nichtstun ziemlich lang werden und das mehr als fünf Tage hintereinander. Vor allem sind unsere Schulbänke, die nur aus einem schmalen Brett bestehen, ziemlich unbequem. Um ein bisschen Zeit zu vertreiben, habe ich es einfach den Anderen nachgemacht und ein bisschen geschlafen. Ein bisschen ist gut, soviel wie in dieser Woche habe ich glaube ich während meinen ganzen zehn Schuljahren nicht geschlafen. Dadurch dass ich immer so früh aufstehe und auch nicht früher ins Bett komme, bin ich meistens ziemlich müde. Außer Freitags geht die Schule jeden Tag bis um vier Uhr und vor fünf Uhr bin ich nie zu hause. Ich habe mich aber schon so an das frühe Aufstehen gewöhnt, dass ich auch am Wochenende nicht länger als sieben Uhr schlafe. In der zweiten Woche hat sich alles schon ein bisschen mehr eingespielt gehabt, obwohl immer noch viel Unterricht ausgefallen ist. Mindestens die Hälfte der Schüler war in dieser Woche nicht in der Schule, weil sie ihr Schulgeld noch nicht bezahlt hatten. Noch immer steht jeden Morgen ein Mann vor dem Schultor und kontrolliert die Quittungen und schickt alle, die sie nicht dabei haben, wieder heim. Deswegen saßen wir auch in dieser Woche viel herum. Eine willkommene Abwechslung waren deswegen immer die Pausen. Zum Essen gehen wir immer in eines der vielen „Restaurants“, wobei die Bezeichnung „Restaurant“ ein bisschen übertrieben ist. Es sind kleine, überdachte Stände, an dem jeweils ein Gericht verkauft wird. Man entscheidet sich also nicht im Restaurant für ein Essen, sondern sucht sich ein passendes Restaurant, je nachdem auf was man gerade Lust hat. Die meisten Restaurants befinden sich am Straßenrand oder in einem Hinterhof. Nachdem man sich eine Plastikschale genommen hat, sagt man der Verkäuferin wie viel Pesewas man bezahlen will und bekommt dann die passende Portion, wobei ein komplettes Essen zwischen 25 und 40 Cent kostet. Entweder sind Bänke im freien oder in einem kleinen Raum aufgestellt. Gegessen wird immer mit der (rechten!) Hand und nachdem Essen werden die halb leer getrunkenen Wasserbeutel zum Händewaschen genutzt. Die Restaurants erkennt man ganz einfach an der Menschenmenge aus Schülern, die sich um die Stände drängen und wahrscheinlich den Hauptumsatz der Verkäuferinnen darstellen. Nach jeder Pause wollen immer alle wissen, was ich gegessen habe und sind dann jedes Mal erstaunt und erfreut, dass ich die ghanaischen Speisen essen kann. Auch auf dem Schulgelände und vor der Schule sieht man immer Verkäufer und Verkäuferinnen, die Orangen, Bananen, Eis, Wasser und vieles mehr verkaufen. Je nach Berufswunsch kann man sich für eine der fünf Züge entscheiden, in die jede Jahrgangsstufe aufgeteilt ist. Es gibt Business, Visual Arts, General Arts, Science oder Home Economics und in jedem der Bereiche kann man wierum Schwerpunkte wählen. Eigentlich wollte ich in den Science-Zug, habe mich dann aber doch für General Arts enschieden, weil ich mit den ganzen englischen Fachbegriffen wahrscheinlich nicht so viel verstanden hätte. Da General Arts besonders auf Sprachen und Literatur ausgerichtet ist, habe ich so die Möglichkeit Französisch, Ga und Englisch zu lernen und habe trotzdem alle Grundfächer wie Mathe, Biologie usw. Ich habe jetzt meine meisten Bücher bekommen und die restlichen Bücher und Uniformen bekomme ich wenn die "Form-Ones" kommen. Ich habe euch am Ende ein Bild von meinem Stundenplan angehängt und bald werde ich euch Bilder von meinen Schuluniformen schicken.

Ich habe mich bis jetzt nicht getraut meine Kamera in die Schule mitzunehmen, da ich noch nicht so ganz durchschaut habe, was wann und ob überhaupt erlaubt ist. Nächste Woche haben wir „Inter-Houses“, bei denen die Häuser in verschiedenen Sportarten gegeneinander antreten werden. Jedes Haus hat Trikots und Shorts in der jeweiligen Farbe. Ich werde Volleyball spielen, obwohl ich nicht wirklich mit den anderen mithalten kann. Aber Übung macht den Meister und ich werde trainieren. Wir haben also wieder drei Tage keine Schule und ich hoffe dass ich dann Zeit finde ein paar Bilder zu machen. Letzte Woche haben wir ein paar Mal nach der Schule Volleyball gespielt, was echt Spaß gemacht hat. Aber wieder war ich unter ständiger Beobachtung und die halbe Schule hat sich um das Spielfeld versammelt um Akos Volleyball spielen zu sehen. Ob ich sie mit meinen Spielkünsten beeindruckt habe wage ich zu bezweifeln, aber ich habe mir angewöhnt gar keine Gedanken mehr darüber zu machen, was alle über mich denken. Es kommt mir vor, als hätte ich ständig einen Spiegel bei mir, weil jede meiner Bewegungen und Gesten aufs genaueste analysiert wird. 

Und zum Schluss möchte ich euch noch von unserem ersten Regen in der Schule berichten.Innerhalb von wenigen Minuten war der Himmel zugezogen und düster und von einem auf den anderen Moment fing es an zu prasseln. An Unterricht war nun nicht mehr zu denken. Alle drängten sich kreischend und lachend in die hinterste Ecke des Klassenzimmers, um nicht vom Regen durchnässt zu werden, der durch die undichten Stellen in dem Wellblechdach strömte. Die Lautstärke des Tumults, konnte ohne Probleme mit mit dem Trommeln des Regens mithalten. Nach ungefähr einer halben Stunde war der Regen dann auch schon wieder vorbei und nur die Pfützen auf dem G´Fußboden des Klassenzimmers erinnerten noch an ihn. Nun konnte auch der Unterricht fortgesetzt werden, als ob nichts gewesen wäre.