16. September 2009

Festival

Am Freitag wollte mich Seth am Nachmittag abholen um in die Altstadt zu fahren. Bis er dann wirklich gekommen ist, war es letztendlich Mitternacht. Da es der letzte Tag des Festivals war, sind wir jedoch trotzdem gegangen. An das Zeitgefühl und die Pünktlichkeit der Ghanaer muss man sich eh erst mal gewöhnen. Aus gleich werden schnell mal ein paar Stunden. Schon auf dem Weg in die Altstadt, strömten von überall Menschen in die selbe Richtung. Am letzten Tag des Festivals bleibt ganz Teshie die Nacht über wach und schläft nicht. Obwohl es so spät in der Nacht war, waren überall Kinder auf den Straßen. Die ganze Stadt war auf den Beinen und die Straßen waren proppenvoll. An jeder Ecke standen riesige Lautsprecher, aus denen laute Musik dröhnte und alle waren am Tanzen. Überall lachende Menschen und eine super, geniale Stimmung. Überall haben wir Freunde von Seth getroffen, die wir begrüßen und mit denen wir uns unterhalten mussten. In Ghana ist es nicht üblich, dass man nur „Hallo“ sagt und weitergeht, ohne sich über irgendetwas auszutauschen. Das Festival ist vergleichbar mit unserem Fasching. Es finden sich verschiedene Gruppen zusammen, die alle ihr eigenes Motto und ihr eigenes Symbol haben. Je nach Gruppe, sind die Menschen unterschiedlich verkleidet. Die Männer waren als Frauen verkleidet und trugen Miniröcke und Tops oder einfach nur eine Windel. Manche waren am ganzen Körper weiß angemalt und mit Efeu behängt. Andere waren mit den Farben der ghanaischen Flagge bekleidet und bemalt. Jede Gruppe hatte eine Fahne oder eine Figur, die von einer Person am Anfang des Zuges getragen wurde. Die Gruppen rennen den ganzen Tag und die ganze Nacht durch die Straßen von Teshie und das zwei Wochen lang. Dabei wird gesungen, geklatscht und getanzt. Sobald eine Gruppe um die Ecke kommt, müssen sich alle in die Gassen verdrücken oder an die Hauswand pressen um nicht in die Kanäle zu fallen, die am Rand jeder Straße verlaufen. In der Altstadt von Teshie gibt es nur zwei Straßen, da die Häuser und Hütten so eng beieinander stehen, dass nur noch Platz für enge Gässchen bleibt. Überall wird man gefragt wie einem das Festival gefällt und alle Freuen sich so, dass man Interesse an IHREM Festival hat. Nachdem wir gegessen, getrunken, durch die ganze Stadt gelaufen sind und uns mit tausend Leuten unterhalten haben, war es letztendlich 6 Uhr, als wir nach Hause gefahren sind. Da im Haus schon alle am arbeiten, fegen und waschen waren, bin einfach Wach geblieben. Mittags musste ich mich dann aber doch zwei Stunden hinlegen. Nach dem Mittagessen war ich mit Astrid, Ray und seiner Schwester Olivia gleich nochmal bei dem Festival. Olivia wird mit mir in die selbe Klasse gehen und mich Morgens immer abholen. Es war nicht mehr so voll und laut wie in der Nacht aber es waren noch immer die selben Gruppen, die noch immer rennend, durch die Straßen liefen.In der Nacht war alles viel lebendiger. Die Menschen haben getanzt oder gesungen und schienen am Festival teilzunehmen. Tagsüber standen alle am Straßenrand oder saßen auf den Autodächern um dem Umzug zuzuschauen. Leider habe ich in der Nacht meine Kamera vergessen, dafür habe ich aber am nächsten Tag viele Fotos gemacht. Und nächstes Jahr werde ich dann mitlaufen. Während des Festivals war es den Kirchen verboten zu Trommel, Klatschen oder laute Musik laufen zu lassen. Wer sich nicht daran hält, kann verhaftet werden. Da das Festival am Sonntag vorbei und die Sperre aufgehoben war, war es zum ersten Mal richtig laut in der Kirche. Trommeln, Schlagzeug, Keyboard, Bass, Rasseln, Gesang und alles wurde über Lautsprecher verstärkt. Als ich die Kirche verlassen habe, war ich halb taub. Aber es war eine ganz andere Stimmung in der Kirche, als die letzten Male ohne Musik. Am Schluss wurden alle Stühle weggeräumt und alle haben getanzt. Die Stimmung mit Musik war ganz anders. Obwohl die Verstärker viel zu laut und die Lieder teilweise ziemlich schräg waren, war es zwischendurch eine schöne Atmosphäre. Es ist wirklich beeindruckend wie man die Gefühle der Menschen mit der Stimme und Musik beeinflussen kann. Wobei die Stimmung zwischen ruhig und hysterisch geschwankt hat. Eigentlich hatte uns Seth's Vater nach der Kirche zum Strand eingeladen. Als sie bis um vier nicht gekommen sind und auch nicht per Telefon erreichbar waren, haben wir beschlossen alleine zum Strand zu fahren. Gerade als wir losfahren wollten, hat Seth angerufen und gemeint, dass sie gleich kommen würden. Wobei „gleich“ in Ghana ein dehnbarer Begriff ist. Aus 20 Minuten können schnell ein paar Stunden werden. Also ist Rose mit Astrid, Maureen, Mami, Louisa und mir vorgefahren. Nana und Lissy wollten später mit Seth und seinem Vater nachkommen. Der Strand war echt schön, mit weißem Sand und Palmen und nicht so voll. Obwohl ich Mami auf dem Arm hatte und nur im flachen Wasser gelaufen bin, hatte sie so Angst vor den Wellen und hat geweint un geschrien. Louisa war das krasse Gegenteil. Obwohl sie nicht schwimmen konnte ist sie einfach in die Wellen gesprungen und ich musste sie wieder herausziehe. Die Wellen sind richtig hoch und haben eine ziemlich Kraft. Deswegen darf man auch nur an bestimmten Stellen ins Meer, da es auch Strömungen gibt, die einen ins Meer hinaus ziehen. Den ganzen Abend haben wir im Wasser geplanscht und Louisa schwimmen beigebracht. Um acht war es dunkel und Seth und die Anderen waren immer noch nicht da. Als wir dann auf dem Rückweg im Auto saßen, hat uns Seth's Vater angerufen, sich tausend Mal entschuldigt und uns für den nächsten Tag eingeladen. So ernst werden hier Verabredungen genommen. Am Montag hat Seth uns dann, sogar eine halbe Stunde früher als abgemacht, abgeholt und wir sind mit dem Taxi zum „Labadi Beach“ gefahren. Dort haben wir Rose und Seth's Vater getroffen. Dieser Strand war viel voller und touristischer als der Strand in Teshie. Überall Hotels und Restaurants, viele Weiße und deswegen natürlich auch viele Händler. Nachdem ich Seth überredet habe ins Wasser zu gehen, wollte erst mal mit all seinen Sachen, seinem Handy und seiner Uhr ins Wasser. Er wollte unbedingt schwimmen lernen, was mehr oder weniger erfolgreich war. Jedenfalls waren wir eine Atraktion und wurden von allen umringt. Lissy festzuhalten und sie bei jeder Welle hochzuheben und gleichzeitig Seth schwimmen beizubringen war gar nicht so einfach. Wir müssen auf jeden Fall noch öfters zum Strand gehen, wenn er richtig schwimmen lernen will. Ansonsten war es ein schöner und lustiger Tag und ich bin schon echt braun geworden. Ohne Sonnenbrand!  Am Mittwoch waren ich mit Astrid zum ersten Mal alleine Eier und Mehl einkaufen. Zur Überraschung von Rose, haben wir trotz unserer Hautfarbe die normalen Preise bekommen. Abends haben wir dann Spätzle und Tomatensoße gekocht, was allen gut geschmeckt hat, obwohl alle Ghanaer behaupten, dass sie kein europäisches Essen essen können.Und weil wir noch so viel Mehl übrig hatten, haben wir heute gleich noch Pfannkuchen gegessen.  Am nächsten Tag waren wir bei meiner Schule und haben mit der Schulleiterin gesprochen. Ich werde jetzt doch in die 12. Klasse gehen, da die 11. Klasse erst später anfängt. Dort habe ich auch gleich meine wunderschöne Schuluniform bekommen – eine von drei verschiedenen, die man zu verschiedenen Anlässen und Wochentagen tragen muss. Meine Schule ist die „Presby Senior Secondary School Teshie“ und ihr Motto lautet: „to live to serve“. Am Montag habe ich dann meinen ersten Schultag und werde meine Fächer wählen und dann auch alle Schulbücher und Uniformen bekommen. Ich bin schon gespannt und werde euch auf jeden Fall berichten.

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