2. September 2009

Weitere Eindrücke

Seit meinem letzten Bericht sind nun schon wieder vier Tage vergangen und wieder ist so viel passiert, dass ich alles gleich aufschreiben muss um nicht die Hälfte zu vergessen. Am Donnerstag haben wir Fufu gekocht – das Nationalgericht der Ghanaer. Wenn man Fufu kochen will, muss man viel Zeit und Kraft einplanen. Zuerst werden Plantain (Kochbananen) und Kasava geschält, in Stücke geschnitten und gekocht. Dann wird alles in einer Schale gestampft, bis ein heller, klebriger Kloß entsteht. Zum Stampfen wird ein langer, dicker Holzstab verwendet. Dazu haben wir eine scharfe, rote Soße und Ziegenfleisch gegessen. Da Fufu mit den Händen gegessen wird, habe ich mir gleich mal die Finger verbrannt. Am Samstag Morgen hat mich Seth abgeholt und mit zur Arbeit in seine Druckerei genommen. In der Druckerei werden alle Stoffe mit der Hand bedruckt. Die Farbe wird durch eine Schablone auf den Stoff aufgetragen und dann zum trocknen in die Sonne gelegt. Während Seth und seine Kollegen die Stoffe bedruckt haben, haben sie mir tausend Wörter und Sätze in Ga beigebracht. Dadurch, dass ich immer und überall neue Wörter und Sätze aufschnappe, wird mein Ga solangsam immer besser und auf die wichtigsten Fragen kann ich schon antworten. Und überall merke ich, dass es sich wirklich lohnt die Sprache zu lernen. Alle Leute sind so glücklich, wenn ich mit ihnen in ihrer Sprache rede. Das ist natürlich ein Ansporn die Sprache so schnell wie möglich zu lernen. Mittags sind wir durch die Altstadt von Teshie gegangen, die direkt an der Küste liegt. Obwohl es die selbe Stadt ist , scheinen Welten zwischen diesem Stadtteil und dem, in dem wir wohnen, zu liegen. Hier herrscht eine ganz andere Atmosphäre, alles ist viel lebendiger, lauter, bunter und auf den Straßen sind viel mehr Menschen. Hier wird einem aber auch die Armut bewusst, in der manche Menschen leben. Alte, zum Teil halb zerfallene Hütten, in denen die Menschen auf engstem Raum zusammenleben. Wenn man durch die engen Gässchen zwischen den Häusern geht, sieht man überall kleine Feuer, über denen gekocht wird und Menschen die ihre Wäsche waschen. Direkt hinter den letzten Hütten und Häusern, grenzt das Meer an. Am Strand sieht man Kinder, die Kies aus dem Meer fischen, Ziegen die im Müll wühlen und zwischen alldem wälzen sich ein paar Schweine im Schlamm. Auch in dem Neubaugebiet von Teshie gibt es arme Menschen, aber jeder der ein bisschen reich ist, baut eine Mauer um sein Haus. Deswegen bekommt man hier viel weniger von dem leben der Menschen mit, als in der Altstadt von Teshie. Sobald die Kinder mich sehen rufen sie „white man“ oder „Obruni“, was auf Twi Weißer bedeutet. Die alten Frauen, die vor ihren Häusern in der Sonne sitzen grüßen mich oder rufen mich zu sich. Überall geben einem die Menschen ghanaische Namen oder es hängt plötzlich ein fremdes, strahlendes Kind an meiner Hand. Auf den Straßen drängen sich hupende Taxis, Trotros, Fahrräder, Menschen, die ihre Waren auf dem Kopf tragen und herumspringende Kinder. Sobald man die Stadt verlässt, erstreckt sich vor einem ein weiter, weißer, von Palmen gesäumter Strand. In der Bucht liegen die traditionellen Holzbote im Wasser und auf dem Sand. Am Strand werden Netze geflickt oder neue Boote hergestellt. Die Bote werden aus einem ganzen Baumstamm geschnitzt und ausgehöhlt. Jedes Boot ist bunt angemalt und hat einen eigenen Namen, Symbole oder Gesichter von Nationalhelden. Direkt am Meer, neben der Stadt liegt meine Schule. Ich werde jetzt doch in eine andere Schule gehen, da die alte Schule nur bis zur 10. Klasse geht. Zurzeit habe ich aber noch Ferien und noch zwei Wochen Zeit um mich weiter umzuschauen und einzuleben. Die ganze letzte Woche wurde in Teshie ein Festival veranstaltet, dass ein bisschen unserem Fasching ähnelt. Auf dem Geländer der Schule fand deswegen ein Fußballspiel statt. Die Stimmung war super und die Menschen drängten sich um das Spielfeld oder saßen auf den Dächern der Gebäude oder Lastwagen. Die Könige und Chiefs der umliegenden Dörfer und auch ein paar Politiker waren gekommen um dem Festival beizuwohnen. Abends sind wir mit dem Trotro nach Labadi gefahren. Auch dort wurde gefeiert. Auf dem Marktgelände fand eine rießige Party statt, die man vielleicht als eine Mischung aus Disco und Volksfest beschreiben kann. Sobald wir das Gelände betreten haben waren wir im Gedränge. Überall laute Musik und tanzende Menschen und plötzlich wurde ich von zehn Menschen umringt und umarmt. Manchmal wäre mir ein bisschen weniger Aufmerksamkeit lieber, aber man gewöhnt sich dran. Und meistens, mit dieser einen Ausnahme, sind die Menschen nicht aufdringlich sondern freuen sich einfach nur einen zu sehen. Aber man merkt, dass hier nicht viele weiße Menschen leben, denn gestern hat sogar ein Kind angefangen zu weinen als es mich gesehen hat. Anscheinend hatte es Angst vor mir, wie mir Bennis lachend erklärt hat. Auf dem Rückweg von Labadi, haben wir an einem Stand frittierte, wie immer scharfe sweet potatoes gekauft. Das Wasser kann man hier in verschweißten Tüten kaufen, die man an einer Ecke aufbeißt und aussaugt. Für einen halben Lieter zahlt man ungefähr 3 Cent. Die Trotros fahren erst los, wenn sie ganz voll sind und während man wartet bekommt alles mögliche zu essen und trinken durch das Fenster angeboten. Hier scheint immer jeder und überall mit irgendwem zu telefonieren und auch ich habe mir schon angewöhnt mein Handy immer mitzunehmen. Wenn man abends durch die Straßen läuft ist es dunkel, da es keine Straßenlaternen gibt. Aber die Luft ist angenehm kühl und windig und überall hört man Grillen zirpen. Auch tagsüber ist es nicht zu heiß und auch die hohe Luftfeuchtigkeit ist kaum zu spüren. Richtig heiß wird es anscheinend im Januar. Also heiße Weihnachten und ein heißer Geburtstag unter Palmen! :-) Am Sonntag sind wir wieder in die Kirche gegangen. Ich hab mich echt gewundert wie schnell fünf Stunden vorbeigehen. In Deutschland würde es wahrscheinlich niemand, zumindest nicht ich, solange in der Kirche aushalten. Da wir dieses Mal pünktlich waren, habe ich auch den Anfang des Gottesdienstes mitbekommen. Zu Beginn betet jeder für sich alleine. Dabei reden alle laut durcheinander, jeder sagt etwas anderes und alle klatschen, sodass ein ordentlicher Lärm entsteht. Zwischendrin schütteln sich alle die Hände oder klopfen sich auf die Schultern und Wünschen sich Frieden und Segen. Wieder wurde von allen Geld eingesammelt. Dafür wurden sieben Schüsseln aufgestellt und nacheinander wurden alle Leute die am Montag, Dienstag, Mittwoch.... geboren wurden nach vorne gerufen. Und wieder hatte viel mit Geistern zu tun, wobei ich jetzt weiß, dass es gute und böse Geister gibt und dass der Pastor sie entweder schickt oder vertreibt. Noch immer kommt mir alles ein bisschen unwirklich vor und manchmal fühle ich mich wie in einem Theaterstück. Rose hat mir angeboten dafür zu beten, dass mir ein Geist erscheint, wobei ich an dem Erfolg zweifel. Dann wurden alle von dem Pastor gesegnet, indem er jedem Öl auf den Kopf träufelte. Als ich sitzen geblieben bin, wurde ich von allen einstimmig und lachend nach vorne gerufen. Insgesamt war es wieder ein sehr interessante und lustige Zeit in der Kirche. Eigentlich wollte Seth mich nach der Kirche abholen um zum Strand zu gehen. Wir haben jedoch beschlossen es um eine Woche zu verschieben, da es schon so spät und dunkel war. Deswegen waren wir zu Besuch bei seinem Vater und danach noch bei einem anderen Freund. Überall trifft man so nette, freundliche und offene und vorallem gastfreundliche Menschen. Alle bieten einem etwas zu essen oder zu trinken an. Da mir Seth erklärt dass es unhöflich ist etwas abzulehnen und bedeutet dass man nicht glücklich ist, war ich Abends so voll wie noch nie und ein bisschen betrunken, da ich immer mehr und irgendetwas anderes probieren musste. Am Montag haben wir Bernice Haare aufgeflochten. Wir haben mindestens zwei Stunden gebraucht und danach haben meine Hände geschmerzt, als hätte ich ein Krafttraining hinter mir. Und als wir fertig waren lagen mehr Haare (Kunsthaare) auf dem Boden als auf ihrem Kopf! Danach waren wir noch bei Bernice zu hause und ich wurde ihrer Mutter und ihren Brüdern vorgestellt. Abends haben wir Banku gekocht. Dazu wird ein Pulver solange in Wasser über dem Feuer gerührt bis es fest wird. Danach wird es in Plastiktüten verpackt und abgekühlt. Banku schmeckt leicht säuerlich und dazu wird eine glitschige Soße mit Fleich, Gemüse und Kuhaut gegessen. Die Kuhhaut habe ich weggelassen! Solangsam kenne ich mich hier immer besser aus und ich war auch schon alleine Brot kaufen. Jeden Morgen kaufen wir frisches, lätschiges Weißbrot, dass verdammt lecker schmeckt. Gestern hat Rose zwei lebende Hühner auf dem Markt gekauft. Auf der Terasse wurden sie gleich geschlachtet, ausgenommen und gekocht. Wie ihr seht, habe ich eine ereignisreiche Woche hinter mir. Heute holen wir Astrid, die Nichte von Johannes, vom Flughafen ab. Sie wird für einen Monat hier bleiben. Johannes ist der Mann von Rose und auch er wird in zwei Wochen nach Ghana kommen. Morgen früh muss ich um fünf Uhr aufstehen, weil wir auf den Markt nach Accra fahren. Ich bin echt erstaunt wie schnell ich mich an das frühe Aufstehen gewöhnt habe, obwohl ich sonst so ein Langschläfer bin. Ich werde meinen Bericht jetzt beenden, damit ich auch wirklich rauskomme. Vielen Dank für eure lieben Kommentare und Mails! Ganz liebe Grüße aus Ghana! Rita

1 Kommentar:

Joerg hat gesagt…

Sehr spannender Bericht, man kann Afrika/Ghana fühlen, schmecken, riechen, hören und (auch dank der Fotos) sehen. Wirken sich die großen Themen der Industrienationen, Wirtschaftskrise und Klimaveränderung, eigentlich auch in Ghana aus, hast du da etwas gehört, Rita? Toll, dass du die einheimische Sprache so schnell lernst! Deinen weiteren Abenteuern sehen wir jedenfalls erwartungsfroh entgegen, viel Glück und Spaß dabei!
Jörg und Sabine