20. Juni 2010

Schule und Regenzeit

Nachdem sich meine letzten Berichte hauptsächlich um meine Reisen gedreht haben, dachte ich es wird mal wieder Zeit ein bisschen über die Schule zu berichten. Obwohl es im eigentlichen Sinne nicht so viel über den Unterricht zu erzählen gibt, weil den ersten Monat 80 Prozent von den Stunden ausgefallen sind, ist doch sehr viel Aufregendes passiert.

Wenn ihr euch fragt wie es sein kann, dass über so einen langen Zeitraum so verdammt viel Unterricht ausfällt, kann ich gleich mehrere Gründe nennen: Schulgebühren, ein kaputtes Dach und die Regenzeit.
Die erste Woche waren wir meist nur zwischen fünf und fünfzehn Schüler in der Klasse, von insgesamt 60, weil die Schulgebühren kontrolliert wurden. Alle mussten also am Tor ihre Quittung zeigen und jeder der sie entweder vergessen oder noch nicht gezahlt hatte wurde nach Hause geschickt, Tag für Tag. Nach ungefähr zwei Wochen hatten dann so gut wie alle ihre Schulgebühr gezahlt, dem Unterricht stand also eigentlich nichts mehr im Weg, wäre da nicht unser Dach gewesen. Zusätzlich hatte auch noch die Regenzeit begonnen.
Zu der Zeit war noch ungefähr die Hälfte unseres Daches vorhanden, doch mit jedem Regen wurde es weniger, bis wir am Schluss ganz unter freiem Himmel saßen. Die letzten Wochen hat es fast jeden zweiten Tag geregnet, manchmal ohne Unterbrechung von Morgens bis Abends.
Wenn Regen im Anzug ist, kann man ihn fast riechen, sofort hängt eine ganz andere Stimmung in der Luft. Zuerst ziehen sich die Wolken zusammen, der Himmel verdunkelt sich, es wird richtig kühl und es beginnt zu winden. Innerhalb von Sekunden fängt es an zu prasseln, das Wasser läuft in Strömen und draußen bilden sich Pfützen und kleine Bäche.
In unserem Fall verwandelte sich auch das Klassenzimmer in einen "swimming pool". Sobald es die ersten Anzeichen für Regen gab, wurden alles Sachen zusammengepackt und alle verließen fluchtartig die Klasse um sich irgendwo unterzustellen. Wir konnten richtig zusehen wie nach und nach eine Platte des Wellblechdaches nach der anderen vom Regen und Wind mitgerissen wurde. Während wir im Freien herumlungerten, verriegelten sich die Lehrer im Lehrerzimmer vorm Fernseher.
Wir hatten also wieder kein Unterricht, wenn nicht gerade wegen dem Regen dann wegen der Sonne. Selbst die Lehrer die überhaupt zur Klasse kamen, verließen sie nach fünf Minuten schon wieder. Ich hab mich gefragt für was wir eigentlich Schulgeld bezahlt haben. Erst haben sie so einen Stress gemacht und alle nach Hause geschickt und jetzt wo alle gezahlt haben bekommen sie nichts dafür.
Ich war weniger über den Unterrichtsausfall erstaunt als darüber, dass die Schüler trotzdem jeden Tag zur Schule gekommen sind um acht Stunden in der Klasse zu sitzen ohne dass sich auch nur ein einziger Lehrer blicken ließ. Später haben wir dann begonnen früher nach Hause zu gehen, sobald sich die Gelegenheit dazu bot und die Torwächter gerade Mal nicht so wachsam waren.
Der Heimweg nach dem Regen gestaltete sich immer als kleine Herausforderung, weil sich die Straßen und Gässchen in die reinsten, mit kleinen Bächen durchzogenen, Schlammwüsten verwandelten. Aber ein bisschen Abenteuer muss sein! :-)
Manchmal fing es schon vor der Schule an zu regnen, dann saß ich auch ein paar mal alleine klitschnass im Klassenzimmer. Die anderen Schüler und auch Lehrer kamen entweder später oder blieben gleich ganz zu Hause. Das könnten wir in Deutschland auch mal einführen, oder? Bei Regen und natürlich Schnee gibt es Schul- und Arbeitsfrei!
An einem Tag kam das Fernsehen um die Klassenzimmer zu filmen und ein paar Interviews mit der Schulleiterin, den Lehrern und Schülern zu führen. Nachdem die Aufnahme in den Abendnachrichten ausgestrahlt worden waren, erklärte sich die Regierung bereit die Kosten für die Renovierung zu tragen.
Direkt am Meer wurde außerdem ein neuer Block gebaut mit zwölf Klassenzimmer, die gerade fertiggestellt worden waren, es gab also freie Räume. Jeden Tag wurde uns versprochen, dass wir umziehen würden, wochenlang, während noch immer der ganze Unterricht ausfiel. Nachdem wir einen Monat vertröstet worden waren, wurde beschlossen zu "streiken". Die ganze Klasse ist also zum Lehrerzimmer marschiert um anzukünden, dass wir alle nach Hause gehen würden wenn wir keine neues Klassenzimmer bekommen würden. Sofort waren die Schulleiterin und andere Lehrer zur Stelle und haben den Protest im Keim erstickt, mit der Androhung die ganze Klasse für zwei Woche von der Schule zu verweisen. Am nächsten Tag mussten die ganzen Eltern zur Schule kommen und sofort wurden ihnen die wildesten Geschichten erzählt, wir seien mit Plakaten schreiend durch die Schule und durch die Stadt gerannt und hätten was weiß ich noch schlimmes angestellt. Letztendlich wurde beschlossen, dass wir unter Beobachtung stehen und für die nächsten Wochen Gras entfernen müssen.
Ich bin noch immer fest davon überzeugt, dass wir im Recht waren! Ich denke dass die Schulleiterin panische Angst hatte, dass das irgendwie an die Öffentlichkeit gelangen könnte, weil sie das Geld für die Renovierung schon viel früher erhalten hatte. Ich glaube eher, dass es außerhalb der Schule Proteste gegeben hätte wenn rausgekommen wäre, dass eine ganze Klasse vom der Schule suspendiert worden ist, nur weil sie auf ihr Recht auf Unterricht gepocht hat, wofür sie ja schließlich bezahlt haben.
Vor zwei Wochen wurde endlich das ganze Dach neu gedeckt und der Unterricht findet auch wieder statt. Ja und wir gehen brav Unkraut jäten. Ich konnte sie mal wieder überzeugen dass auch ein Weißer mit einer Machete umgehen und anpacken kann.

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